Diarrhoe (Durchfall)

Frage:
Seit fast drei Monaten leide ich (22 Jahre, männlich) unter Durchfall. Ich habe schon verschiedene Ärzte aufgesucht, aber bisher konnte keiner die Ursache finden. Können Sie mir einen Rat geben?

Antwort:
Unter Diarrhoe (Durchfall) versteht man eine Zunahme der Stuhlfrequenz (Frequenz erhöht: > 3x/die), eine Erhöhung des Stuhlgewichts auf über 250 g täglich (Menge erhöht: > 250 g/die) oder eine Vermehrung des Wasseranteils des Stuhls auf über 75 % (Konsistenz erniedrigt: flüssig, wässrig). Als »normal« gelten eine Stuhlfrequenz von 3 x pro Woche bis zu 3 x pro Tag, ein geformter Stuhl und ein Stuhlgewicht von weniger als 250 g pro Tag.

Außerdem unterscheidet man die akute Diarrhoe (= eine Diarrhoe von weniger als 14 Tagen Dauer) und die länger als 14 Tage anhaltende chronische Diarrhoe. Die vier Funktionen des Darmes Sekretion, Digestion, Absorption und Motorik können gestört sein. Bei der Malabsorption liegt eine Störung der Aufnahme der enzymatisch aufgespaltenen Nahrungsbestandteile aus dem Darm vor. Die Maldigestion bezeichnet eine gestörte Nahrungsverdauung oder Emulgierung innerhalb des Darmlumens. Beim so genannten Fettstuhl (Steatorrhoe) ist die Fettausscheidung mit dem Stuhl auf mehr als 7 g/Tag erhöht. Unter Stuhlinkontinenz versteht man das Unvermögen, den Stuhlabgang willkürlich zu kontrollieren. Durchfall ist ein häufiges Symptom in der ärztlichen Praxis.

Neben Infektionen (bakterielle Erreger, infektiöse Diarrhoe, meist akut) können Medikamente, Stress, Erkrankungen der Leber, Galle oder Bauchspeicheldrüse, chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), Nahrungsmittelunverträglichkeiten u. ä. als Auslöser fungieren. Wichtig ist es bei der Anamnese nach Begleitphänomenen wie Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Gelenkbeschwerden, Fieber, Gewichtsverlust, Blähungen u. ä. zu forschen. Gezielt gefragt werden muss, ob im Stuhl, Wasser, Schleim, Blut, Eiter oder Fett sowie unverdaute Nahrungsbestandteile erkannt werden können.

Auch eine genaue Befragung nach den Ernährungsgewohnheiten darf nicht fehlen. Nach Nikotin-, Alkohol-, Kaffee- und Teekonsum sollte immer gefragt werden. Nächtliche Durchfälle sind praktisch immer auf eine pathomorphologische Veränderung zurückzuführen, morgendliche und unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme einsetzende Stühle sind eher funktioneller Natur. Die Schwere der Erkrankung lässt sich durch die Begleitsymptomatik und das klinische Bild abschätzen. Die sichere Festlegung einer einzigen Ursache gelingt nur selten. Bei Hinweisen auf eine funktionelle Durchfallerkrankung sollte im Gespräch mit dem Patienten geklärt werden, ob besondere psychosoziale Belastungsfaktoren (Stress, Ärger, Kummer, Probleme mit dem Ehepartner oder den Kindern, Belastung am Arbeitsplatz, Probleme mit dem Chef oder den Kollegen, existentielle Sorgen, finanzielle Not, Zeitdruck, außergewöhnliche Belastungen, Ängste, Zweifel usw.) bestehen. Nach dem ausführlichen Anamnesegespräch erfolgt die körperliche Untersuchung und dann erst (falls nutzbringend) die weiterführende Diagnostik (Labor, Stuhluntersuchung, Sonografie, Endoskopie). Bei der Therapie wird zwischen symptomatischer Linderungsbehandlung und ursächlicher Heilbehandlung unterschieden.

Bei funktionellen Störungen (lebensbedingte,  spannungsbedingte Krankheit) ist eine aufdeckende Lebensberatung angezeigt. Eine kausale Therapie beinhaltet als Basisinformation immer eine Gesundheits- und Ernährungsberatung. Da es sich bei der Diarrhoe grundsätzlich um eine unspezifische Reaktionsform des Magen-Darm-Traktes auf eine Reihe von externen oder internen Reizen handelt, sollte man nicht leichtfertig »stopfende« Medikamente (Antidiarrhoika) einnehmen. Ein wichtiger Hinweis zum Schluss: Die fabrikatorisch hergestellte Zivilisationskost und entwertete gekochte Nahrung führt zu festen knolligen Stühlen. Bei frischkostreicher vollwertiger Ernährung ist der Stuhl eher dickbreiig. Dies ist kein Zeichen von Krankheit.

Literatur: Innere Medizin, Thieme, 12. Aufl.

Autor: Dr. med. Jürgen Birmanns

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