Agro-Gentechnik und Bienen

In Deutschland wird in diesem Jahr wieder gentechnisch veränderter Mais MON 810 der Firma Monsanto angebaut und zwar auf etwas mehr als 2 000 Hektar Fläche. Durch diesen Anbau wird Honig das erste Lebensmittel sein, welches ungewollt mit gentechnisch veränderten Organismen belastet ist – wenn der Anbau nicht verhindert wird. Ein großer Anteil der deutschen Honige enthält regelmäßig
Blütenpollen von Mais, denn ein Bienenvolk befliegt eine Fläche von 30 bis 50 Quadratkilometern. Honigkäufer erwarten ein gesundes Lebensmittel und wollen gentechnikfreien Honig. Da Honig aber von der EU als »tierisches Produkt« eingestuft wurde, unterliegt er keiner Kennzeichnungspflicht. Der Kunde kann infolgedessen nicht wählen.

Honig beinhaltet sofort gentechnisch veränderten Pollen, wenn im Flugradius gentechnisch veränderte Bienenweidepflanzen blühen. Dasselbe gilt für Blütenpollen, welcher auch als Nahrungsergänzung verzehrt wird. So hatte von den Bienen gesammelter Blütenpollen in der Nähe einer kleinen Genmais-Versuchsfläche im Jahr 2005 schon 4,4 % gentechnisch veränderte Bestandteile!

Not der Blütenbestäuber

Die Blüten besuchenden und bestäubenden Insekten und ihre Brut ernähren sich nicht nur vom Nektar, sondern sie benötigen den Pollen (Blütenstaub) als Eiweiß- und Fetternährung. In vielen Regionen Deutschlands bilden landwirtschaftliche Nutzpflanzen wie Raps, Mais und Sonnenblume die Haupt-Pollenquelle für diese Insekten. Wildpflanzen, die diese Versorgung leisten könnten, wurden durch intensive Landwirtschaft in hohem Maße aus der Kulturlandschaft verdrängt. Bei der Einführung der Agro-Gentechnik werden sich die Insekten zwangsläufig zu einem mehr oder weniger großen Anteil mit gentechnisch verändertem Pollen und Nektar ernähren müssen. Beides enthält das von den GVO-Pflanzen in allen Pflanzenzellen produziere BT-Toxin, welches für bestimmte Schädlinge (ebenfalls Insekten!) giftig ist. Pollen ist das männliche Pflanzenorgan, welches die manipulierten Gensequenzen auf die weibliche Narbe in der Blüte überträgt. Die Auswirkungen davon sind nicht absehbar. Zu befürchten sind Schäden der Insekten durch das BT-Toxin. Bei Schmetterlingen sind solche Schäden ebenso wie beim Bodenleben (BT-Toxin im Wurzelraum des GVO Mais) beobachtet worden. Eine angemessene unabhängige Sicherheitsforschung, deren Aufgabe es ist, die Auswirkungen des GVO-Anbaus auf die so genannten Nichtzielorganismen zu untersuchen, ist bisher nicht erfolgt. Allerdings wurde infolge des Anbaus von GVO-Pflanzen in den USA und auch bei Studien in England ein Rückgang der Vielfalt von Wildpflanzen, Insekten und Vögeln beobachtet.

Fleiß der Biene wird ihr Verhängnis

Die Honigbiene ist von der Agro-Gentechnik in besonderem Maße betroffen. Als blütenstete Pollensammlerin überträgt sie den Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf gentechnisch nicht veränderte Pflanzen und umgekehrt. Mit einem Flugradius von 3 km und mehr um jedes Bienenvolk herum, geschieht dies mit ihrem sprichwörtlichen Fleiß auf einer Fläche von 30 bis 50 Quadratkilometern! Sie sorgt also in hohem Umfang für die Auskreuzung und somit für die Kontamination gentechnikfreier Flächen mit Agro-Gentechnik. Darum wird die Honigbiene wesentlich stärker als die Wildbiene mit einem meist kleinen Flugradius kritisch in der Landwirtschaft betrachtet. Die Landwirte, die gentechnik-frei anbauen wollen, müssen von der Honigbiene die Kontamination ihrer Ernte mit Agro-Gentechnik befürchten. Die Gentechnik-Landwirte dagegen müssen aufgrund der Auskreuzung durch die Honigbiene eventuell mit Schadensersatzforderungen rechnen. So wird die Leben und Fruchtbarkeit stiftende Bestäubungstätigkeit der Honigbienen nach Einführung der Agro-Gentechnik in der Landwirtschaft unerwünscht sein.

Ist Koexistenz möglich?

Die EU-Kommission will die Gentechnik als Zukunftstechnologie einführen. Um dies zu erreichen, hat sie den Begriff der Koexistenz geprägt. Koexistenz gibt vor, dass gentechnisch unveränderte und gentechnisch veränderte Kulturpflanzen dauerhaft parallel angebaut werden können. Nur wenn dies der Fall wäre, gäbe es die den Verbrauchern und Landwirten von der Politik versprochene Wahlfreiheit wirklich. Die Koexistenz ist gefährdet durch Übertragung von Pollen und Verbreitung von Samen gentechnisch veränderter Pflanzen. Es müsste dauerhaft verhindert werden, dass sich gentechnisch veränderte Pflanzen auf gentechnisch nicht veränderte Pflanzen auskreuzen. Das geschieht aber regelmäßig durch Wind und Bestäubung durch Insekten. Saatgut und Ernte dürften nicht vermischt werden, jeglicher Transport und Handel von Saatgut einer absoluten Kontrolle unterzogen werden.

In der Realität ist Koexistenz aber nicht möglich. Das belegen neben allen Erfahrungen, die weltweit mit Agro-Gentechnik gemacht wurden, auch die geplanten und verabschiedeten gesetzlichen Regelungen. Sie gehen davon aus, dass Verunreinigungen zum Alltag der Landwirtschaft gehören. Es wird heute lediglich darum gerungen, ab welchen Grenzwerten die Gentechnik-Verunreinigungen für den Verbraucher gekennzeichnet werden müssen. Es wird nur noch die Wahl zwischen mehr oder weniger Gentechnik geben. Es gibt langfristig keine echte Gentechnik-Freiheit. Dies wird vom Gesetzgeber zwar erkannt, aber als »Nebenwirkung« hingenommen, da die neue Technologie sonst nicht eingeführt werden kann. Eine zeitlang hat sich die EU mit einem Moratorium gegen die Einführung von Gentechnik in die Landwirtschaft durch den Druck der Konzerne und der Welthandelsorganisation gewehrt.

An der Lebensweise der Bienen und an den Bienenprodukten zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass die von der EU-Kommission garantierte Koexistenz von Gentechnik und gentechnikfreier Produktion in der Landwirtschaft nicht umgesetzt werden kann. Mit dem Begriff der Koexistenz wird die Bevölkerung mit einem nicht einlösbarem Versprechen getäuscht. Die Wahlfreiheit der Verbraucher und der Schutz der Natur ist eine Art umweltpolitisches Grundrecht. Wir müssen weiter darum kämpfen.

Maispollen von MON 810 macht Honig unverkäuflich Unabhängig von der allgemeinen Situation bei der Agro-Gentechnik liegt eine spezielle Problematik bei dem gentechnisch veränderten Mais MON 810 vor. Für diesen Mais ist keine Lebensmittel-Sicherheitsprüfung nach aktuellem EU-Zulassungsrecht erfolgt. Weil sein Blütenpollen aber in Honig gelangt und Speisemais befruchtet, werden diese Produkte unverkäuflich. Deshalb hat Mellifera e. V. Ende 2006 ein Bündnis ins Leben gerufen, welches konkret betroffenen Imkern und Maisanbauern die gerichtlichen Klagen finanziert, ihnen Rückhalt gibt und die Öffentlichkeit informiert. Mitglieder des Bündnisses sind u. a. der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Assoziation ökologischer Lebensmittel Hersteller (AÖL) und der Demeter-Bund. Um für eine unabhängige Information in diesem außerordentlich komplizierten Rechtsfeld zu sorgen, wurde von Mellifera e. V. die Internetseite www.bienen-gentechnik.de geschaffen.

Schutz vor Gen-Mais von Imkern durchgesetzt

Das erste Verfahren der Imker wurde gewonnen! Das Augsburger Verwaltungsgericht hat mit einem Eilentscheid den Freistaat Bayern verpflichtet, Honig vor Pollen von genmanipuliertem Mais MON 810 zu schützen. Aufgrund des Eilantrages des Imkers Karl Heinz Bablok entschied das Gericht in dem Urteil vom 4. Mai 2007, dass Imker Anspruch darauf haben, dass ihre Ernte frei von geringsten Spuren des Pollens des Gen-Mais MON 810 bleibt. Das Gericht sieht erhebliche Defizite bei der Zulassung und damit in der Sicherheit des genmanipulierten Maises. Es stellt fest, dass Imker und Verbraucher das Recht auf Honig ohne das Gen-Konstrukt haben. Aus diesem Grund muss der bereits ausgesäte Mais vor der Blüte geerntet oder aber die Pollenfahnen wiederholt abgeschnitten werden. Damit ist der Anbau des Gen-Maises grundlegend in Frage gestellt, da ein wirtschaftlich orientierter Anbau unter diesen Bedingungen nicht möglich ist.

Wie schütze ich meinen Honig oder Mais?

Überall in Deutschland können betroffene Imker und private wie gewerbliche Gemüsemaisanbauer nun mit Bezug auf das Augsburger Urteil von ihren Behörden die Durchsetzung wirksamer Schutzmaßnahmen verlangen. Die dafür notwendigen Schriftsätze sind im Internet unter www.bienen-gentechnik.de zu finden. Dort ist auch eine Anleitung mit den Adressen aller zuständigen Landesämter bzw. Regierungsbezirksämter zu finden. Ein solcher Antrag kostet (außer der kurzen Zeit und Briefmarke) nichts. Eine Klage bzw. die entsprechenden Eil-Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz sollte, weil kostenpflichtig, allerdings erst nach rechtlicher Beratung durch die Anwälte des Bündnisses gestellt werden. Weitere Verfahren von Maisanbauern hätten einen besonderen juristischen Stellenwert. Deren Kosten würde das Bündnis gegebenenfalls tragen, wenn der Abstand zum GVO-Mais gering ist oder der Anbau durch eine Gärtnerei oder Landwirtschaft erfolgt.

Kein Tier, einschließlich des bekannten
Gewaltigen, seltnen Elefanten,
Worüber so viel wär erschienen,
Wie über unsre kleinen Bienen.
Streng ist die Arbeit eingeteilt:
Die eine nur um Honig eilt,
Die andre sammelt bloß die Pollen.
Doch darf sie auf den blumenvollen
Gefilden naschen nach Belieben?
Nein! Es ist alles vorgeschrieben:
Vergißmeinnicht kommt heute dran
Und morgen dann der Löwenzahn.
Auf Grund genauester Erfahrung
Entsteht dadurch die Einheitsnahrung.
Ganz wurst, ob ́s jeder angenehm:
Es setzt sich durch das Zwangssystem!

aus »Insekten« von Eugen Roth