Olivenöl ist von hohem gesundheitlichen Wert, wenn die Qualität stimmt. Liebhaber von Olivenöl sind oftmals nicht sicher, ob sie einwandfreies Öl von biologischer Qualität erstanden haben.
Wer sich darüber besonders ausführlich informieren will, sollte MERUM, die Zeitschrift für Wein und Olivenöl aus Italien, lesen. Die Ausgabe 5/2007 enthält alles Wissenswerte über Anbau und Pflege der Olivenhaine, Ernte, Pressung und Abfüllung des kostbaren Öls, nennt aber auch ausgeklügelte Fälschungen und Fälscher, Lug und Betrug.
Der Chefredakteur Andreas März lebt gefährlich, denn er betreibt unbeeinflusste Verbraucheraufklärung. Der italienische Ölmulti Carapelli fühlte sich dadurch angegriffen und verklagte Andreas März wegen Rufschädigung.
Im Folgenden stellen wir Ihnen einige Aspekte über Olivenöl aus o. g. MERUM-Ausgabe vor:
Etwa drei Millionen Tonnen Olivenöl werden zur Zeit weltweit erzeugt. Tendenz steigend. Rund 80 Prozent des Öls stammt aus der EU. Fast die Hälfte dieses Geschäfts wird über Italien ab gewickelt. Nur ein verschwindend geringer Teil ist von wertvoller Qualität. Die meisten Olivenöle gehören der Kategorie »Lampant« (Lampenöl) an, müssen lt. Gesetz industriell gereinigt (raffiniert) werden, kommen dann aber als einfaches »Olivenöl« in den Handel. Trotzdem werden sie auf illegalem Weg »verbessert« und als »Extra Vergine« dem Verbraucher angeboten. Ein fragwürdiges Milliardengeschäft. Hier zwei Beispiele von vielen: Im Februar 2005 konnten die Carabinieri der NAS-Antifälschungsgruppe eine in mehreren Regionen Italiens tätige kriminelle Vereinigung auffliegen lassen und beschlagnahmten 100 000 Liter falsches Olivenöl im Wert von sechs Millionen Euro.
Diese Bande, die vermutlich die Produkte in Norditalien und Deutschland verkauft hatte, wird beschuldigt, Sojaund Rapsöl mit industriellem Chlorophyll und Beta-Carotin gefärbt und als Extra Vergine-Olivenöl in Kanister und Flaschen abgefüllt zu haben, geschmückt mit der italienischen Flagge oder Abbildungen des Vesuvs und mit erfundenen Produzentennamen.
Die Beamten der Betrugsbekämpfungsstelle konfiszierten im Juni 2007 1700 Tonnen des Landwirtschaftsministeriums in Olivenöl. Apulien Obwohl das Öl aus Spanien, Griechen land und Tunesien stammte, wurde es als italienisches Olivenöl ausgegeben.
Perfekte Extra Vergine-Olivenöle existieren nur als Ausnahmeerschei nung, obwohl die EU-Verordnung von 2002 dem Verbraucher Klarheit brin gen sollte. Mit dem Inkrafttreten der EU-Verordnung 796 sind die meisten der verbreiteten Extra Vergine-Marken ungesetzlich geworden. Laut EU muss ein Extra Vergine-Öl ausreichend Schärfe, Bitterkeit und Fruchtnoten besitzen. Aber selbst Öle mit Markennamen wie Bancetto, Bertolli, BioWertkost, Cantinelle, Carapelli, Carli, La Capannina, La Villa, Luccese, Minerva, Monini, Oro del Golfo, Rubino, Sasso, Villa La Badia etc. weisen oft nicht nur geringfügige, sondern schwerwiegende Fehlaromen auf.
In Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Stern, dem ZDF und dem deutschen Slow-Food-Magazin ließ die Zeitschrift MERUM im Jahr 2004 31 so bezeichnete Extra Vergine aus dem deutschen Lebensmittelhandel testen. Waren die Testurteile der Panels (Verkoster) des Laboratoriums der Handelskammer Florenz vergleichsweise mild – immerhin für vier der 31 getesteten Billigöle wurde der Titel Extra Vergine einstimmig bestätigt –, war die Untersuchung des offiziellen Panel der toskanischen Umweltbehörde ARPAT eindeutig: Nur für ein einziges der 31 getesteten Öle ließen die Tester Extra Vergine gelten, bei neun Ölen lautete das Verdikt »Vergine/Nativ«, 21 so benannte »Extra Vergine« klassifizierten die Experten gar als »Lampantöle« (ARPAT: Agenzia Regionale per la prozezione ambientale della Toscana).
MERUM 5/2007
Ein erschreckendes Resultat, das zeigt, wie weit verbreitet und »normal« der Konsumentenbetrug ist. Eigentlich erwartete die MERUM-Redaktion, dass die toskanische Behörde die Hersteller der Öle aufgrund dieser skandalösen Resultate anzeigen würde. Aber nichts geschah. Auch bei der Sondereinheit der Carabinieri zur Betrugsbekämpfung gab es nach Meldung keine Reaktion. Auch die italienische Presse stellte sich vor die von der deutschen Presse angegriffenen »toskanischen« Olivenöle.
Lediglich die Ölindustrie rührte sich. Der Ölkonzern Carapelli erwirkte gegen die Handelskammer Florenz und den Ölexperten Marco Mugelli eine Strafund Zivilklage wegen Störung der Handelsund Gewerbefreiheit sowie wegen Amtsmissbrauchs. Inzwischen hat der Konzern seine Klage zurückgezogen … aber immerhin erreicht, dass kein italienisches Panel sich mehr an solchen Tests die Finger verbrennen mag.
Seit Januar 2008 ist in Italien Vorschrift, dass dort angebotenes Olivenöl die Herkunft der Oliven ausweisen muss. Setzt sich ein Öl aus verschiedenen Provenienzen zusammen, müssen die Herkunftsstaaten der Oliven entsprechend ihrem Anteil im Öl in abnehmender Folge geordnet sein. Falls die Oliven nicht im Herkunftsland verarbeitet wurden, muss der Ort der Ölmühle deklariert sein. Nur italienische Verbraucher sind darüber informiert. Solange die EU sich der Sache nicht annimmt, können anderen Ländern nach wie vor Ölverschnitte verschiedenster Produzentenländer als italienisches Öl untergeschoben werden. Woran erkennt der Verbraucher gutes Olivenöl?
Eine offizielle Antwort gibt es darauf nicht. Gutes Olivenöl hat seinen Preis. Wenn Sie im Handel für 3 oder 4 Euro pro Liter hochgelobtes Olivenöl finden, lassen Sie es stehen. Damit sind nicht einmal die reinen Herstellungskosten gedeckt. Aber der Preis ist keine ausschließliche und zuverlässige Orientierungshilfe.
Der Geschmack ist wesentlich und kann (muss) geübt werden. Echtes Extra Vergine hat wunderbar olivenfruchtige Aromen und einen sauberen, fruchtig-bitter-scharfen Geschmack. Der Kunde muss im Zeitalter der Rapsöl-Euphorie um den gesundheitlichen Wert des Olivenöls wissen, aber auch den typischen Geschmack kennen, akzeptieren und lieben lernen. Echtes Extra Vergine kann allein mit gutem Vollkornbrot, Salat und Gemüse schon ein Festmahl sein. Rapsöl musste erst genussfähig gemacht werden – also manipuliert (z. B. Herausnehmen der Erucasäure). Unverfälschtes Olivenöl hat dagegen seit Tausenden Jahren Tradition und Wert. Eine Grundvoraussetzung für gutes Olivenöl ist die Glaubwürdigkeit seines Ursprungs. Wenn die Identität des Produzenten auf dem Etikett nicht klar deklariert wird, wenn man im Dunkeln darüber gelassen wird, wo das Olivenöl erzeugt wurde, dann sollten Sie es nicht kaufen. Die Bezeichnungen »erste Kaltpressung, nicht raffiniert« u. Ä. geben allein keine Gewissheit über die Qualität.
Die EU-Verordnung 1019 von 2002 hat die Begriffe kaltgepresst und kaltextrahiert zum ersten Mal gesetzlich geregelt. Als Temperaturlimit werden 27 °C gefordert. MERUM schreibt: »27 °C ist allerdings für die Ölqualität bereits eine gefährliche Temperatur. Qualitätsproduzenten versuchen, in den Knetwerken die 20 °C nicht zu übersteigen, um Fermentationserscheinungen zu verhindern. Ihnen ist es lieber, ein bisschen Öl zu verlieren als ein bisschen Qualität.«
Die Angabe da agricoltura biologica ist eine echte Information, da sie zertifiziert sein muss. Auf dem Etikett müssen neben der Biodeklaration auch die zertifizierende Organisation und die Nummer der Druckbewilligung für das Etikett angegeben werden.
Wenn Sie im Zweifel sind, ob Sie wirklich ein qualitativ hochwertiges Extra Vergine-Olivenöl erhalten haben, können Sie es testen lassen. Laden Sie das entsprechende Anmeldeformular mit den Geschäftsbedingungen von www.merum.info herunter.
Liebe Leser, echtes Olivenöl ist ein Produkt für Kenner. Diese kurzen Ausführungen sollen lediglich ein Denkanstoß sein, um Sie vor »Fälschungen und Betrug« zu bewahren.
Wollen Sie lange Freude und Genuss am echten Extra Vergine haben, bewahren Sie es unter Lichtund Luftabschluss kühl bei 14 –18 °C auf.
Guten Appetit.
P. S. Das Gericht sprach Andreas März von der ihm vorgeworfenen Straftat am 12. Mai 2009 frei, da keine solche vorliegt. Die Strafanzeige, eingereicht von der Firma Carapelli am 28. März 2005, wurde für das Florenzer Unternehmen zum Rohrkrepierer. Bei der Gerichtsverhandlung verlangte zwar der Staatsanwalt eine Geldund Freiheitsstrafe (rund 30 000,– Euro + ca. 5000 Euro Gerichtskosten und sechs Monate ohne Bewährung) für den unbescholtenen, mutigen Journalisten, aber das hohe Gericht sprach März nicht nur frei, sondern bescheinigte ihm außerdem absolute journalistische Korrektheit.
Wenn in Italien Wahrheit nicht gesagt und geschrieben werden darf, befindet sich das Land bezüglich Pressefreiheit auf derselben Stufe mit Ländern, in denen Unterdrückung und Willkür zum Alltag gehören. Es bleibt ein Unbehagen zurück.
*Olivenöl ist wunderbar für die kalte und warme Küche geeignet – auch zum Braten. Natürlich sollte ein Fett nie so stark erhitzt werden, dass Qualm aufsteigt.