Chronische Müdigkeit (Erschöpfungssyndrom)

Frage:
Seit Monaten verspüre ich eine starke Erschöpfung und schnelle Ermüdung. Die Wochenenden reichen nicht mehr aus, um mich zu erholen. Ich bin so lustlos und immer angespannt. Was steckt wohl dahinter?

Antwort:
Sie beschreiben mit Ihren Symptomen das typische »Burn-out-Syndrom«. Dieser chronische Erschöpfungszustand tritt besonders gerne bei Menschen auf, die Dienst am Nächsten tun. Das Ausgebrannt-Sein ist ein modisches Wort geworden. Patienten mit »Burn-out« füllen mittlerweile psychosomatische Fachkliniken. Betroffen sind vor allem die »hilflosen Helfer«, Ärzte, Lehrer, Pfarrer, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Heilpädagogen, Altenpfleger/innen, Krankenschwestern und Pfleger. Es trifft jedoch auch Eltern, Väter und Mütter, die hohe Ideale in ihrer Erziehungsaufgabe verfolgen. Die psycho-physische Erschöpfung ist im Grunde das Ende eines langen Prozesses. Typische Symptome sind: Interessenverlust, Leistungsabfall, Rückzugsverhalten, Reizbarkeit, Zynismus, resignative oder aggressive Äußerungen, wiederholtes Krankwerden. Anhaltender Disstress bringt das Fass zum Überlaufen; die in der Kindheit erworbenen Bewältigungsstrategien können den täglichen Anforderungen und Belastungen nicht mehr standhalten. Vorausgesetzt, interne (hämatologische, endokrine, neurologische usw.) Erkrankungen sind ausgeschlossen, so hilft dem Betroffenen eine aufdeckende ebensberatung und natürlich Ruhe. Gönnen Sie sich Atemholmomente. »Vereinfache Dein Leben« (simplify your life) war nicht umsonst im Westen auf den Bestsellerlisten, wobei das wirklich keine besonders ruhmreiche Auszeichnung sein muss. Suchen Sie das offene Gespräch; teilen Sie sich mit und haben Sie keine Angst, Schwächen zu zeigen!

Eugen Roth hat das »Burn-out-Syndrom« auf humorvolle Weise beschrieben: »Ein Mensch sagt – und ist stolz darauf – er geh in seinen Pflichten auf. Bald aber, nicht mehr ganz so munter, geht er in seinen Pflichten unter.« Es handelt sich beim Burn-out nicht allein um ein individuelles Problem, sondern es ist ein soziales, gesellschaftliches Phänomen.

In Band 2 aus der Sprechstunde »Lebensbedingte Krankheiten« beschreibt Dr. M. O. Bruker sehr treffend das Überlastungssyndrom: »Anstatt die Müdigkeit als Zeichen zu erkennen, dass die Leistungsgrenze erreicht ist, wird mit dem Willen dagegen angegangen. Der Wille wird benutzt, um mehr an Leistung zu vollbringen, als nach der Konstitution tatsächlich geleistet werden kann. Diese Überziehung des Leistungskontos führt zu Schulden, die sich in zunehmenden Beschwerden äußern. Unerklärbare Schwäche, für die sich sonst kein Grund findet, verpflichtet daher zu einer gründlichen Durchforschung der weltanschaulichen Grundhaltung des Kranken.«

Literatur: Somatoforme Störungen, Schattauer, 1998

Autor: Dr. med. Jürgen Birmanns

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