Die Vermüllung der Meere mit Plastik

Greenpeace Deutschland hatte zufällig am Samstag der GGB-Frühjahrstagung (19. 03. 2016) einen deutschland-weiten Gruppenaktionstag unter dem Motto »Mach mit – Welle machen – gegen Plastikmüll im Meer – wir säubern Fluss- und Seeufer«. Circa 2 000 Ehrenamtliche von Greenpeace waren in über 60 deutschen Städten unterwegs, um die Aktion mit anderen Menschen durchzuführen. Greenpeace wollte mit der Aktion einfach Menschen einladen, mitzumachen. Der eingesammelte Müll wäre sonst in Flüssen oder den Meeren gelandet. Greenpeace will mit der Aktion auf die Vermüllung der Meere aufmerksam machen und die Menschen anregen, im Alltag weitgehend auf Plastik zu verzichten. Auf der diesjährigen Frühjahrstagung hatte ich die Teilnehmer der Tagung eingeladen, mit Greenpeace »Welle zu machen«. Über 30 Personen sind in der Mittagspause zum Sammeln mitgegangen und waren voller Begeisterung dabei. Auf den Bildern kann man sehen, was wir an 500 Meter Rheinufer alles aufgesammelt haben: Ein Fahrrad, einen Computerbildschirm und ganz viel Plastik.

Kein anderer Ort auf der Erde wird so vollgestopft mit Müll wie die Meere. Vor circa fünf Jahren gab es einen Bericht in der Süddeutschen Zeitung über »Die größte Müllhalde der Welt«: Bei einer Segelregatta von Los Angeles nach Hawai segelte der Chemiker Charles Moore durch einen gigantischen Müllteppich aus Plastikflaschen, Verschlüssen, Einwegrasierern, CD-Hüllen und vieles mehr. Er sah in der Ferne ein farbenprächtiges Funkeln, das aber nicht von Fischen stammte, sondern von Plastikmüll. Seitdem klärt Moore die Menschen über die Vermüllung der Meere auf. Der Müllteppich im Meer ist mittlerweile so groß wie Mitteleuropa. Jeder km2 ist mit 30 000 Partikeln verseucht. Die Abfälle sinken irgendwann zu Boden. Wenn es so weitergeht, werden wir im Jahr 2050 mehr Plastikteile im Meer haben als zur Zeit Fische.

Greenpeace Deutschland wurde 1980 durch die Proteste gegen die Dünnsäureverklappung in die Nordsee gegründet. Es hat einige Jahre gedauert, bis die Verklappung verboten wurde. Dies war der erste große Erfolg von Greenpeace Deutschland. Greenpeace ist eben hartnäckig. Ein weiterer großer Erfolg von Greenpeace war 1995 die Verhinderung der Versenkung der Ölplattform »Brent-Spar« in der Nordsee. Seitdem dürfen im Nordost-Atlantik keine Ölplattformen versenkt werden. Trotzdem fließen jährlich von 500 Ölplattformen 14 000 t Öl in die Nordsee. Seit diesem Jahr steht das Meer wieder im Mittelpunkt von Greenpeace. Jetzt geht es um Plastik im Meer.

Zu meiner Schulzeit sind wir mit Jute-Taschen rumgelaufen, auf denen stand »Jute statt Plastik«. Was ist aber stattdessen passiert? Die Plastikproduktion steigt unentwegt, innerhalb von 60 Jahren auf das 300-Fache.

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Plastikmüll im Meer ist ein globales Umweltproblem. Pro Jahr gelangen aktuell zwischen 7 und 13 Millionen Tonnen Plastikmüll ins Meer. Geisternetze und andere Fischereirückstände machen davon circa 10 % aus. Die treibenden Netze werden zu tödlichen Fallen für die Meeresbewohner – darunter Fische, Schildkröten und Wale. Ein Fünftel des Unrats stammt von Schiffen, die ihre Abfälle auf hoher See entsorgen. Die Menge an Plastikmüll im Meer ist bis heute mittlerweile auf über 100 Mio. t angewachsen. Die Rainbow Warrior, ein Greenpeace-Schiff, hatte sich auch schon mal in einem Fischernetz festgefahren. Es ist verboten, Fischernetze, die früher aus Bast und Pflanzenfasern hergestellt wurden, mittlerweile aber aus Plastikfasern bestehen, auf dem Meer zu »entsorgen«. Die Entsorgung an Land ist jedoch teuer. Es wird weder kontrolliert noch werden die Netze mit den technisch möglichen Ausrüstungen (Ortungssendern) versehen, womit die Netze später gefunden und geborgen werden könnten.

Wenn Forscher vor 40 Jahren in 40 % der Mägen aller Meeresvögel Plastikteile fanden, so findet man heute in nahezu allen Mägen Plastikteile.

Nach Unep-Angaben (unep: United Nations Envirement Programme: Umweltprogramm der vereinten Nationen) sterben mittlerweile jährlich 1 Million Seevögel an den Folgen ihrer Plastikmahlzeit. Die Unep schätzt auch, dass 10 % der produzierten Plastikmenge irgendwann im Meer landen, das wären 30 Mio. Tonnen pro Jahr. Es landen nur 1 % des Plastikmülls auf Deponien, mehr als die Hälfte wird in Müllverbrennungsanlagen verbrannt, nur etwa 40 % werden recycelt.

Nach einer Vorgabe der EU soll der Verbrauch an Plastiktüten bis 2025 auf unter 40 Plastiktüten pro Kopf jährlich reduziert werden. Zur Zeit liegt der EU-Durchschnitt bei 200 Plastiktüten pro Kopf und Jahr. Jeder Deutsche verbraucht pro Jahr 71 Plastiktüten, was circa 2,5 kg entspricht. Dazu kommen die dünnen Obst- und Gemüsebeutel, Verpackungsschalen usw., so dass jeder Deutsche auf mehr als 13 kg Verpackungsmüll pro Jahr kommt. Deutschland ist generell Europameister im Plastikverbrauch. Die Deutschen verbrauchen ein Viertel der Plastikmenge, die in der Europäischen Union produziert werden! Dabei ist es ganz einfach. Irland hat es geschafft, innerhalb von einigen Monaten den Verbrauch an Plastiktüten von 328 auf 18 pro Kopf und Jahr zu senken. Das entspricht einer Reduktion auf rund 5 %. Und dies nur durch eine Abgabegebühr von 44 Cent pro Plastiktüte. Die Dänen und Finnen liegen bei circa vier kostenpflichtigen Tüten pro Jahr. Im ostafrikanischen Ruanda ist seit 2006 die Einfuhr von Folien und Plastiktüten verboten! Auch auf Sansibar sind Plastiktüten nicht erlaubt. Für Zuwiderhandlungen droht sogar eine Gefängnisstrafe. In Europa gibt es schon Länder, die eine Gebühr auf Plastiktüten erhoben haben, aber für ganz Europa ist keine Vorschrift in Sicht. Artikel 18 der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle untersagt derartige nationale Sonderregelungen, weil sie eine Verzerrung des Marktes bedeuten. Zu erwähnen ist, dass Deutschland neben Fußballweltmeister auch Weltmeister in der Braunkohleverstromung ist. Kein anderes Land auf der Erde verbrennt so viel Braunkohle zur Stromgewinnung wie Deutschland. Dadurch nehmen die Treibhausgasemissionen in Deutschland die letzten drei Jahre nicht mehr merklich ab!

Die Politik hat schon lange das Problem erkannt, aber an der konsequenten gesetzlichen Umsetzung hapert es. Das 40-Tüten-pro-Kopf-Reduktionsziel der EU bis 2025 ist mehr als ungenügend. Und die Bundesregierung? Sie setzt blauäugig auf eine freiwillige Selbstverpflichtung des Handels und der Verbraucher. Aber wie es mit Selbstverpflichtungen der Industrie aussieht, ist ja allen wohlbekannt von der Autoindustrie. Um scharfe Grenzwerte bei der Treibhausgasemission der Autos zu vermeiden, hat sie sich verpflichtet, freiwillig im Durchschnitt aller Autos eine bestimmte CO2-Emission zu erreichen. VW macht groß Reklame, wie wenig der neue »Up« verbraucht, dabei hatte VW vor vielen Jahren den Lupo, der weniger als der »Up« verbrauchte. Und wenn es dann von den Abgaswerten nicht reicht, dann werden die Tests einfach unter falschen Bedingungen durchgeführt.

Im Supermarkt müssen in Deutschland die Plastiktüten schon seit einigen Jahren bezahlt werden. Im Handel sollen ab 1. April diesen Jahres Plastiktüten nicht mehr kostenlos abgegeben werden dürfen. Dies ist auf Vorschlag des Handelsverbandes erfolgt. Jedoch sind 30 % der Handelsunternehmen nicht im Handelsverband Mitglied. Die Vereinbarung gilt jedoch nicht für dünnwandige Verpackungsfolien. Viel sinnvoller wäre eine gesetzliche Regelung mit einer Steuer für Plastiktüten. Die Steuer muss dann abgeführt und das Geld für Umweltprojekte verwendet werden. Die Einweg-Papiertüte ist auch keine Lösung. Auch Papiertüten müssen unter Verbrauch von Ressourcen und Energie hergestellt werden. Die Lösung ist nach wie vor die Jute-Tasche. Jedoch ist diese erst nach circa 20 Einsätzen energetisch amortisiert, das heißt, die Energie, die zur Herstellung von einer Jutetasche verbraucht wurde, ist dann weniger als die Energie, die nötig war, um 20 Einweg-Papiertüten herzustellen.

Es kann bis zu 450 Jahre dauern, bis sich das Plastik vollkommen zersetzt hat. Es gibt aber Studien von japanischen Forschern, die gezeigt haben, dass sich Plastikmüll innerhalb eines Jahres in seine Bestandteile zersetzen kann. Das hört sich vielleicht auf Anhieb gut an, aber wenn man bedenkt, dass Plastik in seine Ausgangsprodukte zerfällt, wird einem doch mulmig zumute. Polystyrol wird aus Styrolverbindungen hergestellt, die in Verdacht stehen, Krebs zu verursachen. Bisphenol A (BPA) hatten die Forscher auch nachgewiesen. BPA wird vielen Plastikartikeln als Weichmacher beigemischt, steht auch im Verdacht, Krebs zu verursachen und kann den Hormonhaushalt von Mensch und Tier beeinflussen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist Mikroplastik in Kosmetika. Das hier eingesetzte Mikroplastik wird eigens für den Anwendungsbereich hergestellt und als primäres Mikroplastik bezeichnet. Größere Plastikteile werden durch den Wellengang und die Sonneneinstrahlung zu sogenanntem sekundärem Mikroplastik. Diese Teilchen sind kleiner als 1 mm, und Fische können nicht unterscheiden, ob es sich um Nahrung oder einen Schadstoff handelt. Es ist auch technisch nicht möglich, Mikroplastik aus dem Meerwasser zu entfernen, weil es eine ähnlich Größe wie das Plankton hat. Mit Lösungen können bisher weder Politik, Wirtschaft noch Forschung aufwarten.

Nach Schätzungen des Nova-Institutes werden in Deutschland allein jährlich etwa 500 Tonnen Mikroplastik aus Kosmetikprodukten in die Umwelt freigesetzt. Eine weitere Ursache für die Plastikverschmutzung der Meere ist das Waschen von Fleece-Kleidungsstücken. Pro Waschvorgang gehen durchschnittlich 1900 Plastikfasern ins Abwasser. Kunstfasern machen 60 % der weltweiten Textilproduktion aus. In den Kläranlagen kann das Material nicht herausgenommen werden und landet letztendlich auch im Meer. Greenpeace überlegt, einen Filter für Waschmaschinen für diese Plastikfasern zu entwickeln.

400 t gelangen pro Jahr so durch Textilien in die Umwelt. In Kläranlagen kann das Mikroplastik weder abgebaut noch abgetrennt werden. Das Mikroplastik kann so mit dem Klärschlamm auf Felder gelangen, auf denen Lebensmittel angebaut werden. Was die Gefahr von Mikroplastik selbst noch verstärkt, ist die Tatsache, dass sich Umweltschadstoffe an diesen mikroskopisch kleinen Teilchen anreichern. Ein Geochemiker an der Universität in Tokio hat ermittelt, dass die Konzentration der Schadstoffe (darunter DDT und PCB) an den Plastikteilchen um bis zu einem Millionenfachen größer ist als im Umgebungswasser selbst. Forscher haben längst Mikroplastik in Plankton, Muscheln und Garnelen, sowie in Hering, Makrele und Flunder nachgewiesen. Dadurch gelangen die Umweltschadstoffe wieder auf den Tellern von Nicht-Vegetariern. Neben der Überfischung der Meere ein Grund mehr, auf Fisch zu verzichten.

Das Problem Mikroplastik könnte man auch umschreiben mit »Plastik zwischen den Zähnen«. Viele wissen wahrscheinlich nicht, dass in einer Vielzahl von Kosmetikprodukten Mikroplastik eingearbeitet ist. Der BUND hat 2015 eine Liste von 650 Produkten veröffentlicht, die Mikroplastik enthalten. Ein halbes Jahr später kamen schon 200 weitere dazu. Mikroplastik wird als Schleifmittel, Bindemittel, Füllmittel und Filmbildner in Kosmetikartikeln wie Zahncreme, Duschgel, Peeling, Gesichtscreme, Seifen oder gar in Make-up’s eingesetzt. Ohne zu ahnen verschmutzen wir so die Flüsse und letztendlich auch die Meere. Es gilt nach wie vor »Augen auf beim Einkauf«. Dabei ist Mikroplastik unnötig. Es gibt Biowachse mit vergleichbaren Eigenschaften, die als Nebenprodukte bei der Lebensmittelherstellung anfallen, außerdem Leinsamen und Kieselsäure.

Mikroplastik­ Ausstieg selber machen

Wer nicht darauf warten will, dass Politik und Behörden aktiv werden, muss den Ausstieg aus der Mikroplastik selbst vornehmen. Im Internet kann man sich den Einkaufsratgeber des BUND unter www.bund.net herunterladen. Zusätzlich sollte man sich aber auch selbst auf die Suche machen und mit der Lupe die Liste der Inhaltsstoffe auf den Kosmetikverpackungen überprüfen, oder mit der kostenlosen App »Beatthemicrobeads« Kosmetikartikel per Scanner auf Plastikteilchen untersuchen. Außerdem kann jeder über die BUND-Seite eine Selbstverpflichtung unterschreiben, auf den Kauf von Artikeln mit Mikroplastik zu verzichten. Auch wenn nur wenige unserer Landsleute am Meer leben, sollte uns allen die dramatische Lage in den Meeren und deren Küsten dazu anregen, Plastik in unserem Alltag so gut wie es geht zu meiden? Wir könnten alle versuchen, uns selbst und unsere Mitmenschen weg vom »Wegwerfbewusstsein« zu einem »Kreislaufbewusstsein« zu motivieren. Generell gibt es drei große Schlagworte, die in der angegebenen Reihenfolge realisiert werden sollten:

  • Den Verbrauch reduzieren – weniger ist mehr
  • Gegenstände wiederverwenden – Tauschbörsen
  • Recyceln – Wiederverwerten