Haptonomie – die Revolution im Mutterleib

Vor 50 Jahren vom Niederländer Frans Veldman entwickelt, ist die Wissenschaft der Affektivität Grundlage für ein völlig neues Verständnis des Kindes im Mutterleib und der Geburt.

Jahrtausendelang wurde den Frauen eingeredet, dass sie nur unter starken Schmerzen gebären können. Der Schmerz gehört seitdem untrennbar zur Geburt. Auch heute noch. Mit einem Unterschied: Die moderne Medizin verspricht, ihn einfach nicht mehr bis ins Zentralnervensystem zur Wahrnehmung vordringen zu lassen. Dabei gebären die Frauen durch Periduralanästhesie aus einem halb gelähmten Körper oder unter Vollnarkose. Die Anzahl der Kaiserschnitte und anderer medizintechnischer Manipulationen der Geburt steigen von Jahr zu Jahr auf der ganzen Welt. Nach der deutschen Perinatalstatistik der letzten Jahre sind es hierzulande bereits rund 24 Prozent der Frauen, die ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt bringen, Tendenz steigend – ist doch für diese Operation inzwischen kaum mehr eine medizinische Indikation notwendig. Der Trend geht zur »Wunschsectio«.

Trauma der Geburt

Was Balkendiagramme und Prozentzahlen der Statistiken nicht erfassen, sind die verheerenden Auswirkungen des schönen neuen Umgangs mit Schwangerschaft und Geburt auf das emotionale Erleben von Kind und Mutter. Ihre dramatischen Folgen zeigen sich in unserer Gesellschaft heute mehr denn je: Von Dreimonatskoliken über das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) bis zur steigenden Jugendkriminalität und PISA-Studie. Die Zusammenhänge werden nur leider nicht gesehen. Dazu ist der moderne Ablauf der Geburtsmedizin schon viel zu allgegenwärtig und vertraut.

Zwar gibt es Alternativen zur Hightech-Medizin: Akupunktur, Homöopathie, Bachblütentherapie etc. und sie halten auch Einzug in die Schulmedizin. Kaum ein Kreißsaal, in dem heute nicht neben dem CTG-Schreiber auch sphärische Musik läuft. An der oben beschriebenen Situation, daran, dass kaum eine Frau über eine wirklich positive Geburtserfahrung berichten kann, hat das jedoch nichts geändert. Ein Grund für die sinkenden Geburtenraten. Wer will schon freiwillig mehr als 1,3 Mal traumatische Erlebnisse haben?

Das Trauma liegt darin, dass die bestehende Einheit zwischen ihr und dem Kind für die Mutter nicht wahrnehmbar ist. Die ganze Dimension des Kindes entgeht ihr. Es wird reduziert auf ein Konglomerat von Körperteilen, dessen korrektes Wachstum dann und wann auf dem Ultraschallmonitor und mittels anderer Methoden überwacht werden kann. Das Kind ist dabei während der gesamten neun Monate, und erst recht unter der Geburt, völlig allein gelassen und vereinsamt. Hospitalismus im Mutterleib. Obwohl Schwangerschaft und Geburt für beide zu 95 Prozent Gefühlssache sind, dreht sich alles immer nur um die 5 Prozent Körperlichkeit.

Haptonome Prä-, Peri- und Postnatale Eltern-Kind-Begleitung

Die Haptonomie als Wissenschaft der Affektivität betrachtet und achtet den Menschen in seiner Gesamtheit und Einzigartigkeit. Das Kind und die Mutter werden affektiv in ihrer Wesenheit bestärkt.

Der Begriff Haptonomie setzt sich aus den griechischen Worten »haptein« und »nomos« zusammen.

Das Verb haptestai bedeutet, in einen taktilen Kontakt treten, verbinden, sich jemandem zuwenden, um zu heilen, Ganzheit zu vermitteln und den Menschen in seiner Existenz zu bestätigen und zu bestärken. Nomos ist das Gesetz.

Entdeckt und entwickelt wurde die Haptonomie vor 50 Jahren vom Niederländer Frans Veldman. Sie erstreckt sich über alle Lebensbereiche, von der Konzeption bis zum Tod. Einen großen Teil darin nimmt die Prä-, Peri- und Postnatale Eltern-Kind-Begleitung als Grundlage für unser ganzes späteres Leben ein. Im Centre International de Recherche et de Developpement de I’Haptonomie (C.I.R.D.H.) in Frankreich bildet Veldman heute Hebammen und Ärzte aus.

Die haptonomische Eltern-Kind-Begleitung beginnt sehr früh in der Schwangerschaft. Indem die Eltern an den psycho-taktilen Kontakt herangeführt werden, lernen sie ihr Kind bereits lange vor der Geburt in seiner gesamten Dimension kennen. Sie werden auf das Elternsein vorbereitet, und die emotionale Beziehung und Bindung zwischen Eltern und Kind wird gestärkt. Die haptonomische Begleitung unter der Geburt schafft schließlich die besten Voraussetzungen für eine natürliche Geburt. Die Wehen werden ohne den Einsatz von Medikamenten angenehm und erträglich. Das Kind bahnt sich aktiv seinen Weg in die Außenwelt. Die Mutter, die wiederum selber auf die gleiche Weise Unterstützung von Partner und Geburtshelfer erfährt, ebnet dem Kind durch ihre gefühlsmäßige Begleitung den Weg, dem es bei der Geburt folgen soll. Sie kann ihm das Tor zur Welt öffnen.
Die Haptonomie hat somit einen großen Einfluss auf die Schwangerschaftsphysiologie und den medizinisch-geburtshilflichen Ablauf.

Die wissenschaftliche Analyse von haptonomischen Geburten zeigt: Es ist möglich, die Zahl der Kaiserschnitte und anderer operativer Eingriffe unter der Geburt auf ein Minimum zu reduzieren (aus: Analyse von 250 haptonomisch begleiteten Geburten, Dr. med. M. Djalali, Deutschland 2002). Auch bei drohender Frühgeburt und anderen Schwangerschaftspathologien kann die Haptonomie sehr hilfreich sein.

Die postnatale Begleitung fördert während des ersten Lebensjahres die Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit. Der Grundstein für ein nachhaltig gefestigtes Selbstvertrauen und Basissicherheit wird dem Kind durch die sehr spezielle haptonomische Tragweise und den Umgang mit auf den Lebensweg gegeben.

Wann sollte man beginnen?

Die Haptonomie ist weder eine Methode noch eine Technik, die man einfach anwendet oder nicht. Sie ist vielmehr eine ganzheitliche Daseinsform, in die man hereinwächst. Deshalb darf sie auch nicht gedankenlos mit diversen Techniken und Methoden zur Schwangerschaftsvorbereitung und Geburtserleichterung zusammen angewendet werden. Eine Mischung würde den echten affektiven Kontakt zwischen Eltern und Kind verhindern.

Optimal wäre eine Begleitung ab der Empfängnis. Bis um die 24. Schwangerschaftswoche ist nach wie vor ein guter Einstieg möglich. Da es danach sehr schwierig ist, noch einen ausreichenden affektiven Kontakt herzustellen, ist ein Einstieg nach der 27. Woche jedoch nicht mehr möglich. Sieben bis acht Sitzungen in der Schwangerschaft sind für die Begleitung notwendig. Die Sitzungen laufen immer zu viert ab: Mutter, Vater (oder ein von der Mutter ausgewählter Dritter), das Ungeborene und der/die haptonomische Begleiter/in.

Kurse mit mehreren Paaren würden dem haptonomischen Prinzip entgegenlaufen. Vertrauen, Respekt, Affektivität benötigen Intimität.

Nur von CIRDH ausgebildete Personen sind qualifiziert und autorisiert, die Begleitung durchzuführen. Eine Liste der Personen und Informationen zur Ausbildung können bei der deutschen Vertretung angefordert werden – entweder mit einem selbst adressierten Freiumschlag an folgende Adresse oder per E-Mail.

Adresse:
Dr. med. M. Djalali
Bastionstr. 33
40213 Düsseldorf
E-Mail: DrMDjalali@t-online.de