Hyaluronsäure

Frage:
Was halten Sie von Hyaluronsäure-Präparaten zum Einnehmen gegen »Alterserkrankungen«? Das »Jungbrunnenmolekül« soll ein Segen für Gelenke, Haut und Augen sein.

Antwort:
Um Beschwerden an Gelenken, Bandscheiben, Augen und Haut vorzubeugen, benötigen wir keine zusätzlichen Präparate, sondern eine Ernährung, die nach Professor Werner Kollath (1892 –1970) alles Lebensnotwendige enthält. Jede Zelle unseres Organismus benötigt biologische Wirkstoffe, damit komplexe Makromoleküle wie die Hyaluronsäure synthetisiert werden können.

Weil so viele Menschen vom »Jugendlichkeitswahn« befallen sind, schaffen es die Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln immer wieder, ihre Wunderdrogen unter das Volk zu bringen.

Nun wird Hyaluronsäure als Weltneuheit und Allheilmittel angepriesen. Hyaluronsäure wurde dagegen schon im Jahre 1934 erstmalig aus dem Glaskörper des Auges gereinigt. Es handelt sich bei diesem Molekül um ein sogenanntes Glycosaminoglykan besonderer Größe. Hyaluronsäure kommt in menschlichen und tierischen Geweben ubiquitär vor und bildet einen wichtigen Bestandteil der extrazellulären Matrix (Bindegewebe). Glykosaminoglykane werden auch als saure Mukopolysaccharide bezeichnet. Es handelt sich um lange Kohlenhydratketten (repetitive Disaccharideinheiten). Die vier Hauptgruppen der Glycosaminoglykane sind: Hyaluronsäure, Chondroitinsulfat, Heparansulfat und Keratansulfat. Hyaluronsäure ist das einfachste und wichtigste Glycosaminoglykan. Es kann Ketten aus bis zu 25 000 Disaccharideinheiten bilden. Seine Funktionen sind vielfältig: Es moduliert die Zellwanderung und Differenzierung während der Embryonalentwicklung, reguliert die Organisation der Zwischenzellsubstanz und nimmt an der Metastasierung, der Entzündung und Wundheilung teil. In verschiedenen Geweben variiert die Halbwertzeit des Moleküls von weniger als einem Tag in der obersten Hautschicht (Epidermis) bis zu 1– 3 Wochen im Knorpel. Als Bestandteil der Gelenkflüssigkeit und im Glaskörper des Auges ist Hyaluronsäure von Bedeutung.

Hyaluronsäure entsteht beispielsweise auch an der Unterseite einer Epithelschicht, wo sie einen zellfreien Raum entstehen lässt, in den dann entsprechende Zellen einwandern können. Das Enzym Hyaluronidase ist in der Lage, die Hyaluronsäure abzubauen.

Proteoglykane und Hyaluronsäure bilden zusammen mit Kollagenen und Elastin ein dreidimensionales Netzwerk. Die räumliche Anordnung des Netzwerkes wird dabei durch Wechselwirkungen zwischen positiv geladenen Aminosäureresten der Kollagen- und Elastinfasern sowie negativen Ladungen auf den Proteoglykanen gegeben. Trotz intensiver Matrixforschungen (System der Grundregulation, Prof. Hartmut Heine, Witten/Herdecke) sind die Funktionen dieser aggregierten Makromoleküle noch nicht bis ins Detail verstanden. Auch aus diesem Grund rate ich von der Einnahme synthetischer, semi-synthetischer oder aus tierischen oder menschlichen Geweben (Nabelschnur) extrahierter Substanzen ab. Die Langzeitfolgen sind nicht absehbar.

Ein einfaches Beispiel macht deutlich, dass es nicht so einfach möglich ist, verloren gegangene Substanzen im Organismus durch Zuführen derselben zu ersetzen: Wenn ein Mensch eine Glatze hat und isst Haare, wachsen ihm dennoch keine mehr.

Literatur: Rheumatologie, Thieme 5. Aufl.

Autor: Dr. med. Jürgen Birmanns