Am Anfang des neuen an Jahrtausends rückte das Thema »Frauengesundheit« in die politische Diskussion. Hohe Sterberaten an Brustkrebs als Folge einer angeblichen oder tatsächlichen ungenügenden Diagnostik und Therapie in Deutschland wurden medial und politisch kontrovers diskutiert. Auf starken politischen Druck hin (SPD und Grüne) und in Kooperation mit verschiedenen Interessengruppen in der Medizin wurde das Mammografie-Screening-Programm 2002 beschlossen, ab 2004/2005 bundesweit schrittweise eingeführt und bis 2009 flächendeckend ausgerollt – parallel zur unten genannten Stufendiagnostik in der Frauenarztpraxis. Zielstellung des Programms ist die frühzeitige Erkennung des Brustkrebses und die Senkung der Sterberate an Brustkrebs. Am Mammografie-Screening-Programm sollen alle Frauen im Alter ab 50 Jahren teilnehmen, die kein erhöhtes Risiko für Brustkrebs haben. Frauen mit höherem Brustkrebsrisiko sollen sich schon ab dem 40. Lebensjahr regelmäßig der Mammografie unterziehen.
Früherkennungsdiagnostik
Die Früherkennungsuntersuchung auf Brustkrebs liegt, im wahrsten Sinne des Wortes, in der Hand der Frau. Die regelmäßige, z. B. monatliche, Selbstuntersuchung der Brust zählt zu den einfachsten Untersuchungen und führt zu den besten Frühentdeckungsraten! Hierzu existieren zahlreiche Broschüren mit einer ausführlichen Anleitung zur Selbstuntersuchungstechnik. Exakt und regelmäßig zum richtigen Zeitpunkt durchgeführt, kann eine Frau »verdächtige« Gewebeveränderungen selbst sehr frühzeitig feststellen und ihre Frauenärztin/ihren Frauenarzt aufsuchen.
Anlässlich eines frauenärztlichen Praxisbesuchs zählt die Tastuntersuchung der Brust, etwa ab dem 30. Lebensjahr, zur Basisdiagnostik. Diese zählt aber, sofern keine Beschwerden vorliegen, zu den sog. IGeL-Maßnahmen! (Individuelle Gesundheitsleistung). Wenn bei der Brustuntersuchung ein unklarer Befund getastet wird, kommt als weiterer Schritt der Brustdrüsen-Ultraschall (Mamma-Sonografie) zum Einsatz. Sollte auch dieser nicht zu klaren Diagnosen (z. B. gutartige Veränderungen oder Zysten) führen, kommen, je nach Befund und Wertigkeit, weitere invasive und bildgebende Untersuchungsmethoden zum Einsatz: die Feinnadel bzw. Stanzbiopsie (gezielte Gewebeentnahme), die Mammografie und das Magnet-Resonanz-Tomogramm (MRT). Diese Stufendiagnostik hat sich in der Vergangenheit im Hinblick auf die Früherkennung des Brustkrebses als wirkungsvoll erwiesen. Sie ist allgemein in den frauenärztlichen sowie in Zusammenarbeit mit radiologischen Praxen etabliert.
Was bedeutet Screening?
Screening bedeutet die Anwendung einer Untersuchungsmethode in einer nicht selektionierten Population, um ein bestimmtes, selten vorkommendes Merkmal zu finden. So beträgt die Prävalenz für Brustkrebs, d h. die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen dieses Merkmals in der weiblichen Bevölkerung, weniger als ein Prozent!
Die kritischen Medienberichte über das Screening haben in der letzten Zeit dazu geführt, dass zunehmend auch in den frauenärztlichen Fachkreisen dieses Thema heftig kontrovers diskutiert wird. Die Protagonisten verweisen auf verschiedene internationale Studien, in denen behauptet wird, die Sterberate könne durch das Mammografie-Screening um bis zu 30 Prozent gesenkt werden. Ärztliche Kritiker des Programms dagegen verweisen dabei auf die falsche Interpretation der Studienergebnisse bzw. darauf, dass die angegebenen Sterberaten lediglich durch Computersimulationen geschätzt wurden und diese nichts mit der Realität zu tun hätten. Insbesondere verweisen sie nicht nur auf die fehlende Kosten-Nutzen-Relation (300 Millionen Euro!), sondern vielmehr auch auf die negativen Auswirkungen für die betroffenen Frauen. Das betrifft hauptsächlich die durch das Screening-Programm ausgelösten »Nebenwirkungen«, wie z. B. die Rate an sogenannten falsch-positiven oder falsch-negativen Befunden bei der Mammografie. Falsch-positive Befunde sind in Wirklichkeit unauffällige Befunde. Als Resultat einer schwierigen oder fehlerhaften Interpretation der Röntgenbilder werden sie aber als verdächtig eingestuft. Die Folge: oft unnötige operative Eingriffe an der Brust der Frau und, aufgrund einer Fehldiagnose, schlechtestenfalls eine unnötige Krebsbehandlung mit Folgebestrahlung, Chemo- und Antiöstrogen-Therapie. Demgegenüber bedeutet ein falsch-negativer Befund, dass ein tatsächlich auffälliger Gewebebefund nicht erkannt wird. Dazu kommt die »regelmäßige« Strahlenbelastung durch die Mammografie. Und nicht zuletzt, die Auswirkungen auf die Psyche der Frau und auf ihre verschiedenen Beziehungsebenen: auf den Partner/die Partnerin, die Familie, den Arbeits- und Freundeskreis usw. usf. Die Diagnose (Verdacht auf) Brustkrebs hat vielfältige Einflüsse und stellt für die Frau eine einschneidende Zäsur in ihrem Leben dar.
Fakten zum Mammografie-Screening-Programm
Dem Beschluss der Bundesregierung zum Mammografie-Screening-Programm im Jahre 2002 wurden internationale Studienergebnisse zugrunde gelegt, in denen eine relative Senkung der Brustkrebssterblichkeit von 30 bis 43 Prozent angegeben wurde. Seit dem Erscheinen der Studienergebnisse werden diese in Fachkreisen heftig angefochten. In verschiedenen internationalen und nationalen Nachfolgestudien konnten diese Ergebnisse nicht annähernd erreicht werden. Einige Studienergebnisse wiesen nur eine Effektivität von 10 bis 15 Prozent auf, viele Studienergebnisse zeigten aber keinen Effekt der Mammografie auf die Brustkrebs-Sterberate. Wegen dem nicht vorhandenen Kosten-Nutzen-Verhältnis wurde das Mammografie-Screening zum Beispiel in der Schweiz durch das Swiss Medical Board als flächendeckende Diagnostikmethode abgelehnt. Fakt ist, dass die erwartete Reduktion der Brustkrebssterblichkeit korrekt etwa mit 0,1 Prozent angegeben werden muss (absolute Reduktion). Was bedeutet das? »Falls die absolute Risikoverminderung 0,1 Prozent beträgt, nehmen 999 gesunde Frauen solidarisch einen scheinbar kleinen Nachteil wie Überdiagnosen in Kauf, damit einer symptomlos Erkrankten das Leben gerettet werden kann. Bei dieser Sichtweise wird aber übersehen, dass Risiko unteilbar ist und dass der Nachteil bei Überdiagnose überhaupt nicht klein ist. Deshalb muss die Patientin in einem persönlichen Gespräch mit dem Arzt von dem zu vermutenden Irrtum befreit werden, dass die Mammografie ausschließlich Nutzen hat. Sie muss wissen, wie wahrscheinlich falsch negativ und falsch positiv Befunde sind.« (2)
Warum ist das Mammografie-Screening als primäres bzw. alleiniges Diagnostikum ungeeignet?
Das alleinige Mammografie-Screening kann nicht erfolgreich im Sinne der Zielsetzung des Programms sein. Warum nicht? Insbesondere eine bestimmte, sehr schnell wachsende und sehr aggressive Brustkrebsart wird durch die Mammografie nicht zuverlässig diagnostiziert! Dieser Krebsart fehlen auf der Röntgenaufnahme die »typischen« mammogafischen Zeichen für einen bösartigen Tumor: winzige Kalkeinlagerungen, sternförmige Verschattungen, usw. usf. Diese Tatsache existiert unabhängig von der Gewebedichte der Brust. Auch bei Frauen mit weniger dichtem Brustdrüsengewebe werden diese Tumoren nicht entdeckt! Gleiches gilt auch für einige fortgeschrittene Brustkrebsformen, die in der Mammografie lediglich als »verdächtig« imponieren oder gänzlich unentdeckt bleiben, wie zum Beispiel sogenannte Intervall-Karzinome. Aufgrund des schnellen Wachstums dieser Tumoren können sie zum Beispiel zwischen zwei Mammografie-Untersuchungen entstehen, welche in der Regel im Abstand von zwei Jahren durchgeführt werden sollen. So können sich die Tumoren einer frühzeitigen Diagnostik entziehen. Die Autoren des zitierten Artikels (1) berichten u. a. aus ihrer Praxis darüber, dass etwa die Hälfte aller Brustkrebse, die sie durch die o. g. Stufendiagnostik entdeckten, mammografisch unsichtbar gewesen waren! Es handelt sich in diesen Fällen um eine Unterdiagnostik, d. h. um sogenannte falsch-negative Befunde. Das gegensätzliche Problem, nämlich eine Überdiagnostik, ist ebenfalls ein systemimmanentes Charakteristikum der Mammografie. Es werden übermäßig viele Krebsvorstufen (DCIS, duktales Carcinoma in situ: Vorstufen des Milchgangkarzinoms) sowie T1-Karzinome (Stadienklassifikation: Tumorgröße kleiner als 2 cm) diagnostiziert. Seriöse internationale Studien gehen von bis zu 30 Prozent Überdiagnosen aus. Das bedeutet, dass bei ca. einem Drittel aller Frauen, die sich der Mammografie unterziehen, ein auffälliger Befund gefunden wird, obwohl zum Teil keine bösartige oder lebensbedrohende Gewebeveränderung (zum Beispiel DCIS) vorliegt. Ähnlich wie bei der HPV-Infektion des Muttermundes (siehe: Der Gesundheitsberater Heft 2/2015), können sich auch hier im Brustdrüsengewebe sog. Krebsvorstufen-Zellen bilden bzw. befinden (DCIS). Diese Formen sind aber nicht lebensbegrenzend, weil sie jahrelang ohne jegliche Aktivität im Gewebe verharren können. Erst durch bestimmte Reize, wie zum Beispiel ein geschwächtes Abwehrsystem, emotionaler Stress, ionisierende Bestrahlung oberhalb der natürlichen Strahlungsbelastung, zum Beispiel durch regelmäßige Screening-Röntgenuntersuchungen der Brust usw., können diese Zellen zum Wachstum angeregt werden. Hinsichtlich der ionisierenden Strahlung findet sich folgender denkwürdiger Absatz in dem Artikel von Herrn Prof. Dr. Feldmann: »In der Weltliteratur finden sich zahlreiche Befunde, die dafür sprechen, dass ionisierende Strahlen – sich aufsummierend dosisabhängig – so genannte Ca in situ (DCIS, s. o., Anm. d. Autors) aktivieren können, so dass diese sich womöglich zu invasiven Veränderungen entwickeln. Anscheinend hatte der viel kritisierte Chirurg Julius Hackethal (†1 997) Recht, als er davor warnte, »Haustierkrebse« durch unnötige Eingriffe etc. zu »Raubtierkrebsen« zu aktivieren.« (3)
Bisher konnte weltweit in Studien nicht nachgewiesen werden, dass z. B. die hohe Anzahl diagnostizierter Vorstufen des Brustkrebses durch die Mammografie die Anzahl der Brustkrebstodesfälle hätte senken können. Dennoch wird den Frauen geraten, sich »zur Sicherheit« operieren und nachbehandeln zu lassen (z. B. Bestrahlung, Chemotherapie, Antiöstrogen-Therapie usw.). Letztlich bleibt den Ärzten keine andere Wahl, denn nach der S3-Leitlinie zur Behandlung des Brustkrebses bleibt ihnen nach der Diagnosestellung nur noch, den betroffenen Frauen diese Therapie zu empfehlen. Nur wenn die Frau ihr »Recht auf Nichtwissen« verwirklicht, also bewusst nicht am Screening teilnimmt, kann sie sich selbst vor den Nachteilen der Behandlung, der Überdiagnostik und -therapie bewahren. Auffallend ist, dass sich in Ländern mit einem Mammografie-Screening die Zahl fortgeschrittener Mamma-Karzinome nicht verringert, obwohl überhäufig Vorstufen gefunden und behandelt werden. So stellt sich für mich die Frage nach der Effektivität, Zuverlässigkeit und Sinnhaftigkeit des Screenings.
Einfluss der Dichte des Brustdrüsengewebes auf die mammografischen Ergebnisse
Ein weiterer Faktor beeinflusst die Aussagekraft der Mammografie. Wie oben schon erwähnt, ist das Brustdrüsengewebe nicht bei allen Frauen von gleicher Konsistenz. Die Gewebedichte ist von der Größe der Brust, vom Alter, der körperlichen Konstitution, einer Mutterschaft (Stillen), hormonellen und anderen Faktoren abhängig. Rein physikalisch ist es einleuchtend, dass tumorverdächtige Befunde bei Frauen mit geringer Brustdrüsengewebedichte besser zu entdecken sind als bei Frauen mit hoher Gewebedichte (fibröse Mastopathie). Mehr als ein Drittel der deutschen Frauen hat aber eine eher hohe Dichte (Grad 3 – 4). Daher eignet sich das alleinige mammografische Screening für diese Frauen überhaupt nicht als Frühdiagnostik. Wenn mehr als ein Drittel aller Frauen nicht von dieser diagnostischen Methode profitieren, sollte die Mammografie mit ihren vielfältigen Nebenwirkungen nicht als Screening eingesetzt werden.
Fazit
Aus dem oben Dargelegten kann zusammengefasst werden, dass
- sich der Nutzen des alleinigen Mammografie-Screenings auf Frauen jenseits der Fünfzig beschränkt. Auch zukünftig wird der Nutzen im Sinne einer ausreichenden und deutlichen Senkung der Sterbehäufigkeit an Brustkrebs nicht gegeben sein. Darüber hinaus muss klar festgestellt werden, dass ca. ein Drittel der Frauen mit einer hohen Brustdrüsendichte nicht adäquat diagnostiziert werden können und 50 Prozent der tödlich an Brustkrebs Erkrankten im Alter unter 50 Jahren mit dieser Methode nicht erfasst werden.
- wegen der biologischen Komplexität und Variabilität der Krebsentstehung die Diskussion über die Gefahr eines Screenings mit ionisierender Strahlung neu begonnen werden muss, da diese durch den Summationseffekt auch als krebsauslösend betrachtet werden muss.
- die multimodale Früherkennungsdiagnostik (Stufendiagnostik) eine höhere Erfolgsrate als das alleinige sogenannte monomodale Mammografie-Screening-Programm bietet. In der Frauenarztpraxis muss das individuelle Risiko jeder Frau erfragt und abgeschätzt werden. So sollte diese Stufendiagnostik, je nach Risikoprofil und unabhängig vom Alter der Frau, durchgeführt werden. Nur so können effektiv auch Brustkrebserkrankungen bei jüngeren Frauen frühzeitig diagnostiziert werden.
- nur Frauen mit einem erhöhten genetischen Brustkrebsrisiko unter Umständen von einem Mammografie-Screening profitieren können. Auch hier spielt die individualisierte Risikoanamnese die wesentliche Rolle zur Indikation.
- die regelmäßige Selbstuntersuchung der Brust zu den besten Frühentdeckungsraten führt.
Die beste Krebs-Prophylaxe ist jedoch,
- sich vitalstoffreich-vollwertig zu ernähren. Der hohe Anteil des Fabrikzuckers in der üblichen Zivilisationskost hat, neben den toxischen Umweltgiften, einen sehr starken Einfluss auf die, bzw. einen hohen Anteil an der Krebsentstehung.
- mit sich selbst und mit der Welt im Reinen zu sein und so weit wie es geht, einen psychisch stabilen und ausgeglichenen Lebenswandel zu führen und letztlich
- sich häufig, möglichst täglich, an der frischen Luft sportlich zu betätigen (Spazieren gehen, Wandern, Radfahren usw.). Denn auch die körperliche Ertüchtigung durch Bewegung, Licht und Klima stärkt und stabilisiert unsere Körperabwehrkräfte. Das trägt zu einer stabilen gesundheitlichen Situation und zu körperlichem Wohlbefinden bei.
Literatur
1. Hackelöer, Bernhard-Joachim; Hille, Heino: Multimodale Brustkrebsfrüherkennung versus isoliertes Mammographiescreening. Der Frauenarzt, 2014;55 (10),948 – 956
2. Placzek, Ulrich: Mammographie-Screening: Falsche Befunde und das Spiel mit geschätzten Zahlen. Der Frauenarzt, 2014;55 (12):1178 – 1186
3. Feldmann, Hans Uwe: Mammographie-Screening-Programm (MSP) – ist die Anwendung von ionisierenden Strahlen ohne Indikation noch haltbar? Der Privatarzt Gynäkologie 2014;4:3 – 4