Frage:
Seit dem Tod des eineinhalbjährigen Kleinkinds an Masern in Berlin bin ich besorgt. Ich bin selbst Mutter einer 4-jährigen Tochter, die bisher keine Kinderschutzimpfung erhielt. Kommt jetzt der Impfzwang?
Antwort:
Aus aktuellem Anlass informieren wir Sie über die kontroverse Impfdebatte. Es ist schlimm, dass der Junge, der seit dem 13. 02. 2015 in der Berliner Charité stationär behandelt worden war, am 18. 02. 2015 sterben musste. Es heißt, der Junge sei an Masern gestorben, das habe
auch die Obduktion bestätigt. Nach Medienberichten sei das Kind nicht gegen die Viruskrankheit geimpft gewesen. Er litt wohl an einer anderen Grunderkrankung (über die keine genaueren Angaben gemacht wurden). Diese Erkrankung hätte aber ohne die Maserninfektion nicht zum Tode geführt. Über die fünftätige stationäre Behandlung erhält man keine Informationen.
Als die schreckliche Nachricht publik wurde, titelten alle Zeitungen und Nachrichten gleichlautend: »Kleinkind in Berlin an Masern gestorben«. Dies und die etwa 650 gemeldeten Masernfälle (Stand Anfang März 2015) haben die Debatte über die Wiedereinführung der Impfpflicht angefeuert. Impfbefürworter sprechen sich für mehr Impfaufklärung und Informationskampagnen aus. Impfkritiker bangen um das im Grundgesetz verankerte Recht auf körperliche Unversehrtheit.
In seltenem Einklang und ungewohnter Harmonie dachten Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, Karl Lauterbach (Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag) und Ulrich Montgomery (Präsident der Bundesärztekammer) laut über eine Impfpflicht nach.
Auch der Bundesjustizminister Heiko Maas sagte, dass eine Impfflicht rechtlich denkbar wäre. Impfen sei zwar ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, ein Zwang könne aber verhängt werden, wenn »Experten« dies für nötig hielten, um eine Masern-Epidemie zu verhindern. Zu einer Klarheit und Beruhigung führen diese Äußerungen in der Bevölkerung aber nicht. Berlin hat etwa 3,5 Millionen Einwohner. Seit dem Masernausbruch im Oktober letzten Jahres mussten laut Medienberichten 160 Patienten im Krankenhaus behandelt werden. Im Jahr 2014 gab es laut Robert-Koch-Institut 444 gemeldete Masernfälle in Deutschland. Bis Anfang März war die Rede von über 650 Maserninfizierten in Berlin. Per Definition handelt es sich bei diesen kleinen Fallzahlen in Relation zur Gesamtbevölkerung nicht um eine Epidemie. Das Verkünden von Halbwahrheiten, mehrdeutige Reportagen in Funk und Fernsehen und beängstigende Titelseiten auf allen Zeitungen spalten einmal mehr die Bürger in »ideologische Impfgegner« und verantwortungsbewusste Eltern, die eine Impfverweigerung für egoistisch und gefährlich halten.
Die große Koalition ist sich wenigstens darin einig, dass die Masern ausgerottet werden sollen. Das Ziel, die Masern auszurotten, wiederholt die WHO mindestens alle fünf Jahre aufs Neue. Umfragen kommen zu dem Ergebnis, dass die Mehrzahl der Befragten das Nicht-Impfen für verantwortungslos hält und man auch an den Gruppenschutz denken muss. Spätestens der tragische Todesfall in Berlin sollte Anlass sein, zu einer Impfpflicht gegen Masern zu kommen, so die Befragten.
Das Robert-Koch-Institut sieht in der Impfung eine wichtige und sinnvolle Präventionsmaßnahme. Würde man nur mit dieser Inbrunst über die Ursachen der häufigsten Zivilisationskrankheiten aufklären, könnten viele Todesfälle verhütet werden.
Obwohl die alljährliche Grippewelle über Deutschland rollt, sind alle im Masern-Fieber. Die Nachfrage nach Masernimpfstoffen stieg jedenfalls sprunghaft an. Die zwei größten impfstoffherstellenden Pharmaunternehmen meldeten, dass die Anzahl der Bestellungen auf das Fünffache gestiegen sei. In Berlin stieg die Nachfrage um bis zu 250 %, so dass der Masernimpfstoff kurzfristig ausverkauft war.
In Deutschland, der Schweiz und Österreich gibt es keine gesetzlich verankerte Impfpflicht, sondern nur Impfempfehlungen. Einhellig befürworten die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die Regelimpfungen nach dem aktuellen Impfplan.
Die Impfung berge keine Risiken, gefährlich werde es nur, wenn nicht geimpft wird. Das tödliche Risiko durch Masern könne man durch eine Impfung erfolgreich minimieren. Die STIKO empfiehlt eine zweifache Impfung mit dem Kombinationsimpfstoff MMR (= Masern-Mumps-Röteln) oder MMRV (Masern-Mumps-Röteln-Varizellen) zwischen dem 11. bis 14. Lebensmonat und eine 2. Impfung bis zum Ende des 2. Lebensjahres (15. – 23. Lebensmonat).
Der Impfstoff gegen Masern wurde 1970 eingeführt. Seit 1991 werden zwei Impfungen gegen Masern empfohlen. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Impfnebenwirkungen, Impfreaktionen und Impfkomplikationen nach Injektion der attenuierten (abgeschwächten) Lebendimpfstoffe sind dokumentiert. Nach dem Infektionsschutzgesetz § 6 Abs. 1 muss der Verdacht einer über das Maß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Störung namentlich an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet werden. Impfende Ärzte müssen Impfkomplikationen auch an das Gesundheitsamt melden. Kurzzeitig andauernde Lokal- und Allgemeinreaktionen sind Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Mattigkeit, Unwohlsein, Übelkeit, Unruhe, Schwellung der regionären Lymphknoten. Auch das Auftreten einer »Impfkrankheit« (Impf-Masern) mit abgeschwächtem Krankheitsbild und Hautausschlag ist bekannt. Weitere mögliche Impffolgen sind: Rötung, Erwärmung, Schwellung, Schmerz, Verhärtungen und Abszess an der Injektionsstelle, lokale und systemische allergische R Reaktionen, allergische Sofortreaktionen, verzögerte allergische Reaktionen, idiopathische thrombozytopenische Purpura bzw. Immunthrombozytopenie (= Abfall der Blutplättchen mit Gefahr von Blutungen), hypotone hyporesponsive Episoden [HHE = kollapsähnliche Reaktionen bei Säuglingen und Kleinkindern, die durch plötzliches Auftreten einer erniedrigten Muskelspannung (hypoton), reduzierte Ansprechbarkeit/Reaktion (hyporesponsiv) und bläuliche Hautverfärbung oder Blässe charakterisiert sind], schrilles Schreien, Fieberkrämpfe, Krampfanfälle, Guillain-Barré-Syndrom, Enzephalitis und Meningitis.
Die Masernkrankheit ist eine typische Kinderkrankheit. Es können aber auch selten einmal Jugendliche oder Erwachsene an Masern erkranken. Eine durchgemachte Masernerkrankung hinterlässt eine lebenslange Immunität. Die unkomplizierten Masern haben eine gute Prognose. Ob ein Kind an Masern erkrankt und wie die Krankheit verläuft, hängt von verschiedenen Faktoren wie Ernährungszustand, individuelle Abwehrlage, Wohnverhältnissen, psycho-sozialen und hygienischen Verhältnissen ab.
Fazit: Die Impfentscheidung ist eine Entscheidung, die Ihnen keine Instanz abnehmen kann. Das massenhafte Durchimpfen gesunder Personen ist sehr bedenklich und nicht ohne Risiken.
Literatur: Hilfe! Ich muss eine Impfentscheidung treffen, emu – Verlag, 2015