Psychoonkologie

Frage:
Ich (47 J. männlich) habe Lungenkrebs. Was halten Sie von einer begleitenden Psychotherapie bei Krebs?

Antwort:
Psychologische Aspekte bei der Entstehung und Bewältigung von Krebs sind in den letzten Jahren zunehmend Gegenstand medizinischer Forschung. Zum Thema Psychoneuroimmunologie erscheinen immer mehr vielversprechende Publikationen. Dennoch gilt die Psychoonkologie als junger Forschungszweig mit einem gewissen Nischendasein. »Krebs, eine Krankheit wie keine«, ist die gefürchtetste aller medizinischen
Diagnosen. Die Zahl der Menschen, die an Krebs erkranken, wird steigen, und die Zahl der Menschen, die den Krebs »überleben«, wächst. Der Krebskranke besteht nicht nur aus dem entdeckten Tumor. Der Krebs ist mehr als die Geschwulst. Eine integrierte Medizin nimmt bei der Betreuung der Patienten nicht nur die körperlichen Läsionen wahr, sondern beschäftigt sich auch mit den seelischen, geistigen und sozialen Dimensionen des Krankseins.

Der griechische Philosoph Plato (427 – 348 v. Chr.) machte über den Leib-Seele-Dualismus eine noch heute gültige Bemerkung: »Denn auch jetzt machen die Menschen genau den Fehler, dass manche getrennt für eins von beiden, die Gesundheit der Seele und des Körpers, Ärzte zu sein versuchen.«

Bei der psychosozialen Betreuung krebskranker Patienten möchte der Arzt Hilfestellung geben, wenn sich Verzweiflung, Angst und Einsamkeitsgefühle breit machen. Es geht um das Prinzip Hoffnung. Die Betreuer sollten weder Hoffnung nehmen, noch falsche Hoffnung wecken.

Das biotechnische Modell beschreibt den Körper als Maschine. Die Krankheit ist ein Defekt. Die ärztliche Kunst besteht in der Feststellung des Fehlers und dessen Reparatur. Das salutogenetische Modell konzentriert sich mehr auf den Aufbau von Bewältigungsmöglichkeiten und die Stärkung eigener Ressourcen.

Bei aller Beeinträchtigung darf die Würde des Patienten nicht verloren gehen, wie es in einem ergreifenden Satz einer Patientin mit Leukämie an ihren betreuenden Arzt zum Ausdruck kommt: »Ich möchte Ihnen danken, dass Sie mir durch Ihre Stimme und den Ausdruck Ihres Gesichts Ihr Mitgefühl zeigten, als Sie mir die Diagnose mitteilten.« Die Patient-Arzt-Beziehung lebt demnach auch von den leisen Zwischentönen und von der interpersonalen Schwingung, für die es keine Worte gibt. Ich empfehle jedem Patienten mit Krebs eine begleitende psychologische Betreuung, um der Verletztheit und dem Einbruch des Selbstwertgefühls auf einer zwischenmenschlichen Ebene zu begegnen. Dies bedeutet keineswegs, dass auf eine konventionelle onkologische Therapie verzichtet werden kann.

Literatur: Onkologie integrativ, Urban u. Fischer, 1. Aufl.