Ptose (Herabhängen des Oberlides)

Frage:
Bei mir (weibl., 40 J.) wurde eine einseitige Ptosis festgestellt. Was liegt dem zugrunde?

Antwort:
Normalerweise überdeckt das obere Lid den Oberrand der Hornhaut des Auges (Kornea), lässt aber den Pupillenrand frei. Bedeckt es auch den oberen Pupillenrand, spricht man von einer Ptose. Die Lidspalten sind normalerweise seitengleich und mittelweit. Eine enge Lidspalte kann angeboren oder erworben sein. Das Augenlid wird von zwei Muskeln gehoben, dem vom Nervus oculomotorius (3. Hirnnerv) innervierten Musculus Levator palpebrae (Lidheber) und dem vom Sympathikus versorgten Musculus tarsalis.

Bei der Myasthenie, einer abnormen Ermüdbarkeit der Willkürmuskulatur durch Störung der neuromuskulären Überleitung, kann die Ptose im Laufe des Tages so schwer werden, dass der Patient den Kopf weit zurückneigen muss, um durch die enge Lidspalte zu blicken. Später sinkt das Oberlid vollständig herunter und muss mit einem Finger emporgehoben werden. Die echte Ptosis muss von einer Pseudoptosis (z. B. durch Lidödem oder Reizungen des Auges) abgegrenzt werden.

Anhand dieser Aussagen wird schon deutlich, dass die isolierte Symptombetrachtung nicht weiterhilft. Ohne persönliche Sprechstunde mit klinischer Beurteilung durch gründliche Untersuchung unter Beachtung assoziierter neurologischer Symptome, ist leider eine verlässliche Auskunft nicht möglich. Bei einer Sympathikusläsion ist die Ptose Teil des Horner-Syndroms (von J. F. Horner, 1869, beschriebene Trias), welches bei voller Ausprägung aus Ptose (= Herabsinken des Lides), Miose (= Lähmung des Muskels, der die Pupille erweitert), Enophthalmus (= Zurücksinken des Augapfels in die Augenhöhle; dies wird nur durch die Verengung der Lidspalte vorgetäuscht) und Schweißsekretionsstörung (der entsprechenden Gesichtshälfte) besteht. Ursache ist eine Unterbrechung des Grenzstranges (Teil des sympathischen Nervensystems) oder Läsion der zentralen Sympathikusbahn. Um genau abzuklären, ob es sich bei der bei Ihnen aufgetretenen einseitigen Ptose um einen harmlosen Befund oder um ein ernstes klinisches Zeichen handelt, sollten Sie eine gründliche neurologische Diagnostik durchführen lassen.

Literatur: Neurologie, Springer – Verlag, 7. Aufl.