Vitamin B12

Frage:
Ich las, dass Vegetarier fast immer unter einem Vitamin B12-Mangel leiden. Worauf sollte der Vollwertköstler bezüglich der Vitamin B12-Versorgung achten?

Antwort:
Es ist von großer Bedeutung, zwischen Veganismus, Vegetarismus und vollwertiger Ernährungsweise zu unterscheiden. Veganer und Vegetarier ernähren sich leider in den seltensten Fällen vollwertig. Diese Tatsache führte ja auch zu der kritischen, aber berechtigten Bezeichnung »Pudding-Vegetarier«.

Vegetarismus ist eine Ernährungsform, die in verschiedenen Varianten gelebt wird: Ovo-Vegetarier, Lacto-Vegetarier, Ovo-Lacto- Vegetarier. Ovo-Vegetarier essen neben pflanzlicher Kost auch Eier. Lacto-Vegetarier verzehren neben Pflanzen Milch und Milchprodukte. Ovo-Lacto-Vegetarier essen »alles« außer Fleisch und Fisch. Veganer ernähren sich rein pflanzlich. Es kommt nun darauf an, die Pflanzenkost richtig zu kombinieren.

Vitamin B12 (Cobalamin) wird ausschließlich durch Mikroorganismen synthetisiert, zu denen auch die Enterobakterien des menschlichen Darms gehören. Lange Zeit wurde angenommen, dass Vitamin B12 nur in Nahrungsmitteln tierischer Herkunft vorkomme. Prof. H. A. Schweigart weist jedoch in seinem Vitalstofftabellarium darauf hin, dass auch pflanzliche Lebensmittel Vitamin B12 enthalten. Er nennt u. a. Weizen, Roggen und Hafer. In der Literatur werden noch andere pflanzliche B12-Quellen genannt: Petersilie, Pfirsiche, Schwarzwurzeln, Getreidekeime, Zitronenmelisse, Beinwell, Erdnüsse und Sauerkraut.

Für den Gehalt an B12 in Pflanzen spielen die Bodeneigenschaften wie Humusgehalt und Cobaltgehalt eine Rolle. Cobalamin (Vitamin B12) ist der einzige Naturstoff, in dem Cobalt (Spurenelement) bisher nachgewiesen wurde. In Böden mit langer Kunstdüngerbewirtschaftung ist der Cobaltgehalt geringer. Der tägliche Bedarf an Vitamin B12 ist äußerst gering (1 – 3 Mikrogramm!). Cobalaminreserven reichen jahrelang. Ein Vitamin B12-Mangel (Cobalaminmangel) ist in aller Regel nicht Folge einer Fehl- oder Mangelernährung. Die Zusammenhänge sind viel komplexer. An dieser Stelle sollen einige Aspekte als Denkanstöße dienen: Vitamin B12-Mangel ist kein vegetarisches Problem, sondern erweist sich angesichts der Tatsache, dass B12 ausschließlich von Mikroben produziert wird, in erster Linie als ein Problem der Darmflora. Die Erzeugung von Vitamin B12 setzt eine gesunde Darmflora voraus. Enzymreiche Frischkost hat auf die Darmflora einen ausgesprochen positiven Einfluss (Dr. M. O. Bruker).

Fleischkost wirkt sich ungünstig auf die Darmflora aus. Dr. Ralph Bircher erwähnt im »Geheimarchiv der Ernährungslehre«, dass Fleischesser trotz aller B12-Zufuhr an Vitamin B12-Mangel leiden können, da ihr Organismus nicht auf eine wirksame Eigenproduktion umschalten kann. Neben den Vitamin B12-Quellen und der alimentären Zufuhr, müssen natürlich auch die biochemischen Stoffwechselprozesse, die Aufnahme, die Resorption, der Transport und die Speicherung des Vitamins, in die Betrachtung mit einbezogen werden!

Zur Resorption muss Cobalamin an ein Glykoprotein gebunden werden, das in den Belegzellen der Magenschleimhaut gebildet und als Intrinsic factor bezeichnet wird. Der Vitamin B12-Intrinsic-Factor-Komplex bindet im Ileum (Abschnitt des Dünndarms, auch Krummdarm genannt) an einen Rezeptor und wird in die Darmschleimhautzelle aufgenommen. Bisher wurden drei Bindungsproteine isoliert, die den Vitamin B12-Transport im Blut gewährleisten (Transcobalamin I, II und III). Da die genannten Co-Faktoren Proteine sind, hängt die Verfügbarkeit von Vitamin B12 auch von der Funktionalität und Qualität dieser Eiweißstoffe ab.

Literatur: Ernährungsmedizin, Thieme, 4. Aufl.

Autor: Dr. med. Jürgen Birmanns