RSV-Impfung

Frage:
Was halten Sie von der neuen Impfung gegen das respiratorische Synzytialvirus (RSV)?

Antwort:
Die aktuelle STIKO­Empfehlung soll Schutz für Jung und Alt bieten. Seit 2023 sind zwei Impfstoffe (für Ältere ab 60 Jahren) gegen das respiratorische Synzytialvirus (RSV) zugelassen; für einen dritten ist die Zulassung beantragt. Pneumologen und Infektiologen sehen einen dringenden Bedarf an Präventionsstrategien.
»Prävenire« heißt übersetzt »der Krankheit zuvorkommen, verhüten, vorbeugen«. Je nach Auslegung der Defini­tion oder Begriffszuordnung besteht hier ein Deutungs­spielraum. In den Augen der »Impfverherrlicher« ist eine Impfung eine Präventionsmaßnahme. Nach meinem Verständnis handelt es sich um die Injektion eines Tot­ oder Lebendimpfstoffes (Inokulation, Vakzination, Impfung) in den menschlichen Organismus. Frohlockend wird verkündet, dass der Impfstoff jetzt nicht mehr nur für Menschen ab 60 Jahren und Schwangere zugelassen ist, sondern auch für Neugeborene. Da es derzeit noch keine aktive Impfung (Tot­ bzw. Lebendvakzine) für Säuglinge und Kleinkinder gibt, soll diese Altersgruppe passiv mit einem Antikörper geimpft werden. Der Antikörper soll den Eintritt des Virus in die Zellen blockieren und so den Infektionszyklus unter­brechen. Diese »Neutralisierung« soll die Vermehrung des Virus stoppen. Die Einmaldosis des Impfstoffs wird in den Oberschenkelmuskel injiziert. Eine ausführlichere Begrün­dung für die Entscheidung der Impfempfehlung der STIKO (Ständige Impfkommission am Robert­Koch­Institut) kann man im Epidemiologischen Bulletin nachlesen.
Ein Argument für die Impfung der »vulnerablen« Gruppen ist die Beobachtung (Fallzahlenerfassung), dass RSV­Infektionen die häufigste Ursache für Krankenhaus­einweisungen (Hospitalisierungsrate) sind. Das Gefährdungspotenzial ist natürlich individuell nicht absolut zu erfassen. Leider können Säuglinge und Kleinkinder auf schmerzhafte Eingriffe nur mit Schreien reagieren. Das Baby oder Kleinkind ist kein Ding, sondern ein fühlendes Wesen, ein mündiger Mensch. Statistisch infizieren sich in den ersten zwei Lebensjahren nahezu 100 Prozent aller Kinder. In etwa 10 Prozent kommt es zu einer Atemwegsin­fektion. Von diesen Kindern werden ca. 2 Prozent in einem Krankenhaus behandelt. Es ist keineswegs meine Absicht, Atemwegsinfektionen zu verharmlosen. Husten, Fieber, Giemen (Atemnebengeräusch beim Ausatmen), Brummen, Nasenflügeln und Atemnot sind Symptome einer obstruk­tiven Bronchitis.
Typisch sind die Häufungen der RSV­Infektionen in den Wintermonaten. Ähnlich wie bei der Influenza (epidemi­sche Grippe) ist die Symptomatik bei einer RSV­Infektion von der Immunitätslage (Resistenz, unspezifische und spezifische Abwehrlage, Widerstandskraft) abhängig. Man muss zwischen milden bzw. inapparenten (nicht wahr­nehmbaren) Verläufen eines Infektes der oberen oder unteren Luftwege und fulminanten, kritischen Atemwegsinfek­tionen unterscheiden. Komplizierte Verläufe können bei vorerkrankten Kindern (bestehende Lungenerkrankungen, Kinder mit Herzfehlern, Immundefizient) auftreten.
Bei immunsupprimierten Kindern kann es zu riskanten Krankheitsverläufen kommen. Umso wichtiger ist deshalb das Individuelle im Wesen des Kindes zu erkennen und die psychosozialen Begleitsituation, die prä­, peri­ und postnatale Lebensphase zu berücksichtigen.
Kritisch anzumerken ist, dass tendenziell immer mehr Kleinkinder in Kindertagesstätten untergebracht werden. Besonders in der Heizperiode im Winter bei geschlossenen Räumen besteht dort eine gewissen Bereitschaft zu erkran­ken, da die Schleimhäute nicht ausreichend befeuchtet und belüftet sind. Ein zweiter Aspekt ist der Rückgang der Hausgeburten und die Zunahme der Klinikentbindungen. RSV kommt als nosokomialer Erreger (»Hospitalkeim«) in Betracht.
Kneipp­KITAS, in denen die Kinder auf natürlichem Weg durch Kaltwasseranwendungen, Licht­ und Luftbäder ihr Immunsystem trainieren und haptonomisch (Haptonomie = Lehre von der Berührung) ausgebildetet Hebammen zur Begleitung von Schwangerschaft und Geburt, sind wertvolle Errungenschaften, die noch zu wenig bekannt sind.

Literatur:
Pädiatrie, Urban u. Fischer, 1. Auflage
Harrisons innere Medizin, Wissenschaftsverlag, 17. Auflage