Die »Kaisergeburt« – eine neue Marketingstrategie in der Geburtshilfe

Geschichte des »Keyserschnitts«

Die Geschichte der Schnittentbindung an einer Schwangeren/Gebärenden reicht bis in die Antike zurück. Bis ca. 1580 wurde die Schnittentbindung ausschließlich bei sterbenden oder toten Gebärenden durchgeführt (lat.: Sectio in moribunda bzw. in mortua), häufig auf deren Verlangen. Eine Einwilligung für diesen Eingriff war auch seinerzeit zwingend erforderlich! Hintergrund für dieses Handeln waren zwei Überlegungen: Erstens wollte man das Kind bei einer Sterbenden »retten«. So nahm die Mutter den eigenen Tod in Kauf, um ihrem Kind das Leben zu schenken. Die Überlebenschancen waren jedoch nicht vorhanden, weder für die Mutter noch fürs Kind. Zum anderen wurde das (ungeborene) Kind als eigenständige Person betrachtet, und es sollte ihm dadurch eine Taufe sowie eine angemessene Bestattung ermöglicht werden. Und noch ein Aspekt spielt eine wichtige Rolle: Die Schnittentbindung sollte das Zerstückeln des Kindes in der Gebärmutter bei geburtsunmöglichen Lagen vermeiden (z. B. Quer- oder Schräglage u. a.). Das Zerstückeln des Kindes in der Gebärmutter war ausschließlich bei toten Kindern erlaubt. So musste man häufig warten, bis die Gebärende und anschließend ihr Kind starb, bevor man mit dieser furchtbaren Tätigkeit beginnen durfte. Durchgeführt wurde die ursprüngliche Schnittentbindung bzw. die zerstückelnde Operation am Kind von speziellen Wund- bzw. Steinschneidern und Hebammen.

Der Begriff »Keyserschnitt« (Begriff aus dem  Mittelalter, lat.: Sectio caesarea) wurde erstmals im deutschen Sprachraum 1652 von Wilhelm Fabry für diese Art der Entbindung erwähnt. Er führte diese Operation in Wittenberg an einer (noch) Lebenden durch. Bei ihr befand sich das Kind in Querlage. Auf Grund der geburtsunmöglichen Lage und der anhaltenden Wehentätigkeit war die Gebärmutter bei ihr bereits gerissen – das bedeutete den sicheren Tod der Gebärenden durch Verblutung. Da das Zerstückeln eines lebenden Kindes verboten war, entschied er sich für diese »heroische« Operation. Sie endete für beide, für Mutter und Kind, fatal. Sein Wissen bezog er aus einer Monografie über die Kaiserschnitttechnik von dem unbekannten französischen Arzt Francois Rousset. Sie erschien bereits 1581 in Paris. Darin beschrieb der Franzose die Operation als »Section Caesarienne«; eine Bauch- und Gebärmuttereröffnung durch »Caesarische Schnittführung«.  Aus dieser geschichtlichen Sicht hat also der Kaiserschnitt nichts mit der Geburt des römischen Kaisers Julius Caesar zu tun, wie häufig vermutet wird. Er wurde nicht durch Schnittentbindung geboren!

Nach 1880 begann eine neue Periode für diese Operation. Die Operationstechnik nahm eine sprunghafte Entwicklung: Die Schnittführung sowohl des Bauches als auch an der Gebärmutter wurde verändert, das erste Nahtmaterial aus Tierdarm oder Seide entwickelt, Desinfektionsmittel (Karbolsäure u. a.) hielten Einzug in die Wundbehandlung und letztlich wurde die undbehandlung und letztlich wurde die Äther- und Chloroform-Narkose erfunden. Somit stiegen die Chancen, dass der Kaiserschnitt an einer lebenden Gebärenden durchgeführt wird und beide, Mutter und Kind, diesen Eingriff überleben. Dennoch war der Kaiserschnitt bis weit in die 1950er- Jahre eine gefährliche Operation mit einer hohen Mütter- und Kindersterblichkeit auf Grund von Infektionen und Blutungen und wurde tatsächlich nur im Notfall durchgeführt.

Die weitere Entwicklung ist Geschichte! Heute ist der Kaiserschnitt zur Routine- bzw. Wunschoperation mutiert. Er ist Ausdruck einer verhängnisvollen Entwicklung in Richtung Luxus- und Wunschmedizin mit unüberschaubaren Komplikationen, Risiken und Nebenwirkungen für die weitere menschliche Entwicklung.

Kaiserschnitt früher und heute

Bis Mitte der 1980er Jahre war der Kaiserschnitt eine geburtshilfliche Operation, die fast ausschließlich nur bei »harter medizinischer« Indikation (bei begründeten medizinischen bzw. geburtshilflichen Komplikationen) durchgeführt wurde. Eine »harte medizinische« Indikation ist zum Beispiel bei einer kindlichen oder mütterlichen Gefahrensituation, wie drohendem kindlichen Sauerstoffmangel unter der Geburt oder starke Blutungen, hoher Blutdruck oder bei anderen mütterlichen Erkrankungen, gegeben. Aber auch sehr seltene, große kindliche Fehlbildungen zählen zum Beispiel dazu. Die Kaiserschnittfrequenz betrug deshalb deutlich unter 15 %; in der Nürnberger Frauenklinik Anfang der 1990er-Jahre unter 10 %. Eine niedrige Kaiserschnittfrequenz entsprach seinerzeit einer hohen geburtshilflichen Qualität, Kompetenz und Expertise. Noch heute empfiehlt die WHO eine Kaiserschnittrate von maximal 15 %. Mit diesem Prozentsatz werden nicht nur in den hoch industrialisierten Ländern der Welt die wesentlichen gesundheitlichen Gefahren von Mutter und Kind abgewendet. Eine Kaiserschnittrate von mehr als 15 % bedeutet, dass – medizinisch gesehen – zusätzlich unnötige Kaiserschnitte vorgenommen werden, die für Mutter und Kind keinen gesundheitlichen Vorteil bringen. Der Kaiserschnitt ist heute, dank moderner Operationsverfahren, Antibiotikaeinsatz und Regionalanästhesieverfahren, eine Routinemethode geworden, die weniger Komplikationen besitzt als noch vor 20 oder mehr Jahren. Dennoch bleibt er eine große Bauchoperation mit all seinen Risiken.

In den vergangenen zwei Dekaden stieg die Kaiserschnittfrequenz weltweit unterschiedlich stark an; in Deutschland um 109 % auf 32,1 % (2011, zum Vgl. 1991: 15,3 %)! In Europa schwanken die Frequenzen aktuell zwischen 14,8 % in Island und 52,2 % auf Zypern – ohne dass gravierende Unterschiede bezüglich der Gesundheit von Mutter und Kind in Europa feststellbar sind! Und das Bemerkenswerte dabei ist, dass sich z. B. die schweren kindlichen Sauerstoffmangelschäden (sog. Geburts- bzw. Hirnschäden, Zerebralparese = zentral bedingte Lähmungen aufgrund von langanhaltendem Sauerstoffmangel durch Hirngewebeuntergang) seit ca. 70 Jahren nicht verändert haben! Sie treten unverändert in einer Häufigkeit von 2 – 4 pro 1000 Lebendgeburten auf. Somit besteht kein Zusammenhang zwischen hoher Kaiserschnitt- und niedriger kindlicher Erkrankungs- bzw. Schädigungsrate. Der durchaus verständliche und nachvollziehbare Wunsch jeder Schwangeren, ein gesundes Kind zu gebären, hängt, bis auf sehr wenige, seltene Ausnahmen, nicht von der Art und Weise der Geburt ab. Weder medizinisch-fachlich noch medial wird darauf hingewiesen, dass dieser Zusammenhang nicht existiert! Das Gegenteil ist der Fall! Der Kaiserschnitt wird häufig unberechtigterweise als »Allheilmittel« zur Vermeidung jeglicher Geburtskomplikationen gepriesen.

Es müssen also andere Gründe für die unterschiedlich hohen Kaiserschnittfrequenzen bestehen; jedenfalls sind es keine medizinischen. Die beste und gesündeste Art der Geburt für Mutter und Kind ist immer noch die Spontangeburt! Allein die Narkose- und Operationsrisiken eines Kaiserschnitts belasten die Mutter, ohne Vorteil für das Kind. Nicht so sehr beim ersten Kaiserschnitt, vielmehr in der/den folgenden Schwangerschaft(en) und Geburt(en).

Aktuelle Studienergebnisse zeigen, dass der »Wunschkaiserschnitt« – ein Kaiserschnitt ohne medizinische Indikation – nicht allein für die Zunahme der Frequenz verantwortlich ist. Es sind u. a. die Empfehlungen der niedergelassenen und klinisch tätigen Frauenärzte. Sie empfehlen nicht nur bei tatsächlichen oder anamnestischen Risiken in der Schwangerschaft großzügig den geplanten Kaiserschnitt, sondern auch in Fällen, in denen er nicht notwendig ist. Das entspricht einer sog. defensivmedizinischen Grundeinstellung. Unter juristischem Blickwinkel betrachtet, wurden Frauenärzte in der Vergangenheit immer nur wegen eines nicht oder mutmaßlich zu spät durchgeführten Kaiserschnitts verurteilt. Bisher gibt es meines Wissens noch kein Urteil, in dem ein Frauenarzt wegen eines nicht notwendigen Kaiserschnitts angeklagt bzw. verurteilt wurde. Um sich aller Vorwürfe einer eventuell fehlerhaften Behandlung zu entziehen, wird aus diesen »Sicherheitsgründen« der geplante Kaiserschnitt empfohlen und bevorzugt.

Weitere Ursachen für diese Entwicklung sind zum Beispiel die Berichte über die Geburten prominenter Frauen: Schauspielerinnen, Sportlerinnen, Politikerinnen usw. usf. Viele von ihnen ließen sich einen geplanten Kaiserschnitt »verpassen«. Diese Ereignisse wurden und werden in der »Yellow Press« – der sog. Regenbogenpresse – breit publiziert und vermarktet und sind somit »Vorbilder« für etliche Frauen, die das nachahmen wollen.

Das Alter der Frauen bei der ersten Geburt steigt stetig an. Damit im Zusammenhang steht die Zunahme der »Zivilisationserkrankungen«, wie Zuckerkrankheit, hoher Blutdruck/Schwangerschaftsvergiftung, u. v. a. m. Wir, die vitalstoffreichen Vollwertköstler, wissen, dass diese Erkrankungen zum überwiegenden Teil ernährungs-, aber auch lebens- und umweltbedingt sind. Diese gesundheitlichen Risiken führen altersabhängig vermehrt zu Schwangerschaftskomplikationen, die tatsächlich letzten Endes einen Kaiserschnitt notwendig erscheinen lassen, um die Gesundheit von Mutter und Kind nicht zu gefährden. Und letztlich fördert auch das derzeitige Finanzierungsmodell der Krankenhausleistungen die Durchführung von geplanten Kaiserschnitten. Eine Spontangeburt, die nicht planbar ist, wird mit einer durchschnittlichen Dauer von 18 Stunden medizinischer Betreuung (Hebamme und Arzt) veranschlagt. Das Personal muss für diesen Fall immer vorgehalten werden. Eine normale Spontangeburt »bringt« dem Krankenhausträger ca. 1700,– Euro. Ein geplanter Kaiserschnitt dagegen – ohne Risikokonstellation – dauert mit Vor- und Nachbereitung ca. 45 – 60 Minuten. Zwar ist der Einsatz an personellen und materiellen Ressourcen für eine Operation größer als bei einer Spontangeburt. Es »lohnt« sich jedoch ökonomisch gesehen für den Krankenhausträger, für diese kurze Zeit die Ressourcen gezielt bereitzustellen. Insbesondere dann, wenn mehrere Kaiserschnitte hintereinander vorgenommen werden. Für einen Kaiserschnitt ohne Risikokonstellation erhält der Krankenhausträger ca. 2400,– Euro. Bei bestimmten Risikokonstellationen steigt die Summe auf über 3000,– Euro! So ist es nicht verwunderlich, dass in etlichen deutschen Frauenkliniken sog. Kaiserschnitttage existieren, an denen in der Regelarbeitszeit acht bis zehn Schwangere – im Takt wie am Fließband – nacheinander durch ein feststehendes Operationsteam operiert werden. Anders kann ich diesen Vorgang nicht nennen, denn die Frauen gebären nicht im eigentlichen Sinne; sie werden allenfalls – umgangssprachlich bezeichnet – entbunden.

Die »Kaisergeburt« – modernes Marketing: Verharmlosung einer Operation und deren gesundheitliche Risiken und Spätfolgen

Während meiner bisherigen beruflichen Tätigkeit als Geburtshelfer durfte ich mehrere 1000 Male die erhebenden Glücksmomente der frisch gebackenen Eltern erleben, als ihr Kind spontan geboren wurde. Der erste Hautkontakt zwischen Mutter und Kind auf ihrer Brust; der erste Schrei; das intensive Bonding – all das lässt die Mühen und Strapazen der Geburt sehr schnell vergessen! Eine sehr starke emotionale Situation! Die erste bewusste und schmerzhafte Trennung der bisherigen direkten Abhängigkeit zwischen Mutter und ihrem Kind ist ein sehr wichtiger psychologischer und emotionaler Entwicklungsschritt für beide. Anders beim geplanten Kaiserschnitt, der überwiegend in Regionalanästhesie (Peridural- oder Spinalanästhesie) durchgeführt wird: Das OP-Gebiet ist abgedeckt und die Schwangere auf dem OP-Tisch fixiert. Das Neugeborene wird bei der Operation durch die Bauchdecke aus der Gebärmutter gehoben und nach dem Abnabeln der Mutter kurz gezeigt. So ein intensiver Kontakt zwischen Mutter und Kind wie nach einer Spontangeburt ist nicht möglich. Erst dann, nachdem die Operation beendet ist, besteht frühestens die Möglichkeit der innigen Kontaktaufnahme. Geschäftstüchtige und marketingbewusste Frauenärzte, die ihre »Fallzahl« an Geburten in ihren Kliniken erhöhen wollen, versuchen nun, durch den Begriff »Kaisergeburt« die Bauchoperation zu verharmlosen und zu suggerieren, die sog. Kaisergeburt sei etwas Besonderes – geboren werden wie ein Kaiser! Obwohl der Kaiser Cäsar mit Sicherheit nicht durch Kaiserschnitt geboren wurde. Das hätten seinerzeit seine Mutter und er nicht überlebt! Die »Kaisergeburt« soll ein ähnliches Glücksgefühl bei der Mutter erzeugen wie das nach einer Spontangeburt. Im Moment der »Geburt« des Kindes – also bei der Entwicklung des Kindes durch die Bauchdecke – wird das OP-Tuch abgesenkt und der Mutter der »freie« Blick auf den Vorgang der »Geburt« ihres Kindes gewährt. Alles andere bleibt wie oben beschrieben. Der unübertreffliche Gipfel der Geschmacklosigkeit ist für mich der kürzlich erschienene Bericht im Spiegel online Gesundheit (1) über eine Kaiserschnittentbindung, bei der die Schwangere ihr Kind selbst aus dem Bauch zieht!

Sicherlich ist auch diese Situation im Operationssaal für die Mutter/Eltern ein spannendes und erhebendes Gefühl. Aber emotional bleibt dieses Ereignis sehr weit hinter dem einer Spontangeburt zurück! Es verbleiben vielmehr Narben an Körper, Geist, Seele! Und auch das Neugeborene wird anders in das Leben geschickt: ohne Vorankündigung, ohne dass es sich selbst auf den Weg ins Leben machen konnte. Es gibt mittlerweile vielfältige Hinweise, dass Kaiserschnittkinder in ihrem Verhalten anders sind als Kinder, die spontan geboren wurden: sie sind häufig »Schreikinder«, sind motorisch auffälliger und unruhiger, muskulär verspannter usw. (ADHS-gefährdet?). Denn die Einheit von Mutter und Kind in der Gebärmutter wurde durch einen künstlichen, terminierten Eingriff abrupt zerstört; die natürlichen Lebensvorgänge einer Geburt und des Lebens außerhalb des Mutterleibes konnten nicht natürlich gestartet werden.

Ich möchte den Kaiserschnitt nicht verteufeln und ihn als Teufelswerk deklassieren. Die Entwicklung der modernen Medizin, der Operationstechniken und die Möglichkeit, ihn jederzeit und sofort durchführen zu können, ist ein Segen! Er trägt dazu bei, in Notsituationen oder bei Krankheiten der Mutter bzw. des Ungeborenen Leben zu retten oder gesundheitliche Gefahren für beide abzuwenden. Aber die sorglose Anwendung des Kaiserschnitts ohne medizinische Notwendigkeit ist für mich eine Missachtung der Natur- bzw. Schöpfungsgesetze. Und ich habe gelernt zu verstehen, dass wir uns in unserer gesellschaftlichen Entwicklung immer weiter von ihnen entfernen. Und je größer die Distanz wird, desto wahrscheinlicher wird in ferner Zukunft das Desaster sein: Der Mensch beraubt sich seiner Lebensgrundlagen selbst . . . Für ein Umdenken ist es noch nicht zu spät, es ist »fünf vor zwölf«.

Literatur

1. Irene Berres: Kaiserschnitt: Mutter zieht ihr Kind selbst aus dem Bauch.
Spiegel online Gesundheit vom 05. 06. 2015
2. Karen R. Rosenberg/Wenda R. Trevathan: Der Kaiserschnitt aus entwick-
lungsgeschichtlicher Sicht. Aus: Der Kaiserschnitt, hrsg. von Michael
Stark. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH. 1. Auflage 2008,
S. 27 – 38