»Weizenwampe« oder Die seltsamen Erkenntnisse des Kardiologen William Davis.
Als ich das Buch »Weizenwampe« von William Davis 2013 gelesen hatte, legte ich es beiseite. Es enthält widersprüchliche Aussagen, Falsches und Halbwahrheiten. Ich meinte damals, jeder (Vollwertkost-) Leser müsste dies erkennen. Doch ich sollte mich irren. Immer mehr Menschen lassen sich verunsichern. Inzwischen kann man schon von einer Weizen- und Gluten-Hysterie sprechen. Glutenfreie Produkte haben Einzug in Supermärkten, Reformhäusern und Bioläden gehalten.
Demnächst folgen wahrscheinlich Warnungen vor Dinkel, Gerste, Roggen, denn auch sie enthalten Gluten, aber in geringerer Menge als Weizen. Gluten, (die zweite Silbe wird betont) ist Klebereiweiß; Getreideproteine bestehen hauptsächlich aus Prolaminen und Glutelinen. Der Weizen ist laut Davis »die Ursache allen Übels«. Nach seiner Auffassung muss er gemieden werden. Der amerikanische Kardiologe lässt so gut wie keine Krankheit aus, die nach seiner Auffassung auf den Verzehr von Weizen zurückzuführen ist und die er als Arzt mit Erfolg behandelt haben will. Ob Akne, Aphthen (entzündliche Schleimhautveränderung im Mund), Arthrose, Bluthochdruck, Diabetes, Grauer Star, Haarausfall, Herzinfarkt, Krebs, Migräne, Multiple Sklerose, Rheuma, Schizophrenie, Schlaganfall, Schuppenflechte bis hin zur Zöliakie – um nur einige Beispiele zu nennen –, an allem ist Weizen schuld. »Weizenesser sterben früher«, so Davis. An anderer Stelle schreibt er: »Weizen scheint bei Diabetes der Hauptschuldige zu sein«. Oder: »Ich hege den Verdacht, dass Weizen in der Tat bei jedem Menschen, der ihn isst, direkt und indirekt Knochen und Gelenke angreift.« Oder: »Wahrscheinlich ist der durch Kreuzungen veränderte Weizen für unsere Gesundheit von elementarer Bedeutung.« Er meint den in Amerika üblichen Hybridweizen. Mit Wahrscheinlichkeiten und Verdacht ist dem Leser jedoch nicht geholfen. Dass »moderne« Getreidesorten (auch Gemüse/Obst) überzüchtet sind, ist bekannt. In allen Bereichen sind samenfeste Sorten/Arten zu bevorzugen. Oliver Willing, Geschäftsführer der Zukunftsstiftung Landwirtschaft, zeigte in seinem beeindruckenden Vortrag bei der GGB-Frühjahrstagung 2015, wie sehr wir uns engagieren müssen, um »unser täglich Brot« (und andere Lebensmittel) vor dem Zugriff der mächtigen Konzerne zu retten.
Wir sollten weder Hybridsorten verzehren noch gentechnisch veränderte Nahrung oder solche, die Gentechnikanteile enthält. Darüber klären wir seit Jahrzehnten auf (siehe DER GESUNDHEITSBERATER Dezember 2013). Alte, stabile, samenfeste Getreidesorten biologischer Qualität empfehlen wir und verwenden sie im Dr.-Max-Otto-Bruker-Haus. Vom qualifizierten Biogetreide kann der Landwirt Samen abnehmen und im Folgejahr wieder aussäen. Dasselbe gilt für andere Saaten. Bei Hybridsorten gelingt dies allenfalls ein Mal. Das Wort hybrid (lat. hybrida Bastard, Mischling) bedeutet »von zweierlei Herkunft, gemischt«.
Wir leben zunehmend in einer Zeit der angeblichen Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz, Weizensensitivität, Haselnuss-, Sellerie-, Apfel-, Erdbeer-, Pollen-, Weizen- und weiteren Allergien, die ich nicht alle aufzählen kann. Das geht so weit, dass der Bürgermeister einer Ortschaft 2013 zum Beispiel alle Birken fällen ließ, um seinen Dorfbewohnern so genannte Allergien/Heuschnupfen zu ersparen. Geholfen hat es nichts. Dies erinnert mich auch an den Antrag eines Politikers, der alle Bäume an befahrenen Straßen fällen lassen wollte, um dadurch »verursachte« tödliche Autounfälle zu verhindern. Der Antrag wurde abgelehnt. Ob die Gegner erkannt hatten, dass die Bäume nicht die Ursache sind? Hat ein Mensch Beschwerden, muss die Krankheitsursache gefunden werden. M. O. Bruker mahnte: »Ohne klare Diagnose keine Therapie.«
Eine Gesundheitsberaterin GGB berichtet im Mai 2015: »Meine Bekannte entdeckte den SPIEGEL-Bestseller ›Weizenwampe‹ und entschloss sich, glutenfrei zu essen, also ohne Weizen. Nach ca. vier Wochen musste sie ihren Arzt aufsuchen, weil sie seit zehn Tagen keinen Stuhlgang hatte. Er überwies sie sofort ins Krankenhaus, da er keine Darmgeräusche wahrnahm. Dort konnte die Verstopfung nicht mehr mit den üblichen Methoden (Einlauf, Abführmittel etc.) beseitigt werden. Man musste den Kot manuell (mit der Hand) entfernen. Die nachfolgende Darmspiegelung ergab, dass alles in Ordnung war, jedoch der ›zementartige‹ Kot nur durch die falsche Ernährung erstanden sein konnte.«
Das Buch »Weizenwampe« sowie ähnlich geartete »Gesundheitsempfehlungen« in Zeitschriften sorgen dafür, dass Ängste geschürt werden und der Boom der »Selbstdiagnostik« zunimmt, weil der verunsicherte Leser meint, seine Beschwerden könnten möglicherweise doch durch den Verzehr von Weizen hervorgerufen werden.
Davis lässt das große Spektrum der wissenschaftlich belegten ernährungsbedingten Zivilisationskrankheiten außer Acht. Er benutzt zum Beispiel den Begriff Vollkorn, geht aber nicht auf die wissenschaftlich bewiesene Bedeutung des Vollgetreides und dessen wertvolle Inhaltstoffe ein, sondern rückt nur bestimmte Anteile des in Amerika üblichen Hybridweizens in den Fokus (Gluten, Gliadin und andere Eiweißfraktionen). Aber »Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.« (Christian von Ehrenfels, 1859 – 1932, österr. Philosoph, Psychologe).
Davis Ernährungsempfehlungen sind katastrophal. Er verwendet in seinem gleichnamigen Kochbuch reichlich Fleisch, Fisch, Käse, Eier, auch Wurst, Milch, Quark. Deren Vermeiden ist jedoch bei bestimmten Krankheiten unerlässlich, wenn eine Besserung eintreten soll (z. B. Erkrankungen im Bewegungsapparat, Infektanfälligkeit, so genannte Allergien, Ekzeme, Zöliakie u. a. m.). Ganz am Rande rät er, »zu viel Zucker oder Fruktose-Glukose-Sirup (Maissirup)« wegzulassen. Ihm ist offensichtlich nicht bekannt, dass gerade diese Konzentrate Mitverursacher der ernährungsbedingten Zivilisationskrankheiten sind. Mit dem Verzehr von Fabrikzuckerarten innerhalb einer vitalstoffreichen Vollwerternährung kann auch das von Dr. Bruker entdeckte und beschriebene »Verträglichkeitsproblem« auftreten. Davon weiß Davis allerdings nichts.
Die Krankheit Zöliakie zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch »Weizenwampe«. Es handelt sich um eine Erkrankung der Dünndarmschleimhaut. Bei der histologischen Untersuchung finden sich Veränderungen an der Schleimhaut bis hin zur vollständigen Zottenatrophie. Die Krankheitssymptome: Durchfall, aufgetriebener Leib, allgemeine Schwäche, körperlicher Verfall, Übelkeit und anderes mehr. Zöliakie tritt im Säuglings- und Kindesalter auf. Bei Erwachsenen wird sie als »einheimische Sprue« bezeichnet. In den so genannten zivilisierten Ländern (Industrieländern) ist lediglich ca. 1 % der Bevölkerung daran erkrankt. Zöliakie kommt also relativ selten vor. Die Nahrungsmittelindustrie hat sofort erkannt, dass der Genrummel wirtschaftlich genutzt werden sollte. Mit zahlreichen teuren glutenfreien Produkten bedient sie den Markt und verunsichert damit die Verbraucher. Die Angebotsvielfalt steht in keinem Verhältnis zur selten auftretenden Zöliakie. Die Produkte werden in den Geschäften so geschickt platziert, dass auch gesunde Käufer zugreifen, um sich vermeintlich Gutes zu tun (mit diesem in Wirklichkeit »minderwertigen Schrott«).
Merke: Nur bei der klar diagnostizierten Zöliakie besteht eine echte Gluten-Unverträglichkeit. Davis schreibt, 1953 sei der niederländische Kinderarzt Karel Dicke auf die Idee gekommen, dass Zöliakie durch Weizen ausgelöst werden könnte. Diese Aussage ist falsch und kursiert auch im Internet sowie bei der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e. V. und in anderen Berichten. Fakt ist, dass Zöliakie bereits Anfang des letzten Jahrhunderts als Folge der so genannten Zivilisationskost bekannt war. Sie wurde anfangs als »Mehlnährschaden« bezeichnet beziehungsweise als Heubner-Hertersche Krankheit oder Herterscher intestinaler Infantilismus. Benannt wurde sie nach den Entdeckern, dem Kinderarzt Otto Heubner (1843 – 1926) und dem amerikanischen Pathologen Chr. A. Herter (1865 – 1910). Man gab Säuglingen damals Auszugsmehl aus Weizen mit hohem Kleberanteil (später sogar Maizena) als Erstlingsnahrung. Dann besetzten die Nährmittelhersteller Nestlé, Humana, Alete und andere mit ihren Präparaten das Feld. Heute sind Auszugsmehlprodukte und Fabrikzuckerarten weltweit »Volksnahrungsmittel«. Die humanitäre Versorgung mit Nahrungsmitteln in Notstandsgebieten enthält die minderwertigen Konzentrate Auszugsmehl, Fabrikzucker, Milchpulver und andere Imitate.
Die oben genannte Entwicklungsgeschichte der Zöliakie wird an den Universitäten nicht mehr erwähnt. Folglich taucht sie auch in keiner Stellungnahme von Ärzten, unter anderem »Experten« wie Gastroenterologen, oder anderen Wissenschaftlern auf, sondern man bemüht sich intensiv um die Erforschung der Ursachen von Zöliakie, Weizensensitivität und anderen Beschwerden unklarer Genese (Entstehung). Es ist falsch, Zöliakie (auch Diabetes u. a. m.) als genetisch bedingt zu bezeichnen. Das erweckt bei Patienten den Eindruck, man könne dagegen nichts machen,
sei hilflos der Krankheit ausgeliefert.
Die Ursachen, die der Zöliakie zugrunde liegen, erkannten die Forscher Heubner und Herter, ebenso Bircher-Benner (1867 – 1939) und Bruker (1909 – 2001). Bircher-Benner dokumentierte den Fall der schwerstkranken kleinen Zöliakiepatientin Lala, die mit fünfeinhalb Jahren in der Bircher-Benner-Klinik in Zürich aufgenommen wurde. Sie war vorher nach dem Erkenntnisstand der »Wissenschaft« diätetisch behandelt worden, wie es dem damaligen Stand der »modernen« Forschung entsprach – also mit kalorienreichen Konzentraten. Bircher-Benners Behandlung bestand in ausschließlicher Rohkost, Sonnen- und Lichttherapie, Leibwickeln und guter Pflege. Das Kind Lala konnte nach acht Monaten mit fünfzehn Pfund mehr Gewicht als geheilt entlassen werden. Dr. M. O. Bruker: »In meiner jahrzehntelangen Praxis habe ich selbst unzählige Male Zöliakie-Patienten mit gutem Erfolg beraten und behandelt. Jeden Satz Bircher-Benners kann ich unterschreiben.«
Übrigens: Zöliakie ist zuverlässig nur durch eine Darmspiegelung und Gewebeprobe (Biopsie) zu diagnostizieren. Ein Nachweis von Antikörpern (mittels Bluttest) ist nicht ausreichend, zeigen sie doch nur an, dass der Organismus auf einen Stoff (Antigen) reagiert. Damit ist noch keine klare Diagnose erstellt. »Kein Weizen, kein Diabetes«, behauptet der Autor William Davis. Die englische Ausgabe »Diabetes, Coronary Thrombosis, and the Saccharine Disease« (1966) von T. L. Cleave und G. D. Campbell belegt minutiös, dass die Ursache im Verzehr der raffinierten Kohlenhydrate liegt. Herausgeber der deutschen Ausgabe »Die Saccharidose« war Dr. M. O. Bruker. Apropos: Die Proteingruppen, die angeblich ein Weizenproblem darstellen sollen, kommen nicht nur in dem von Davis beschuldigten Hybrid-Weizen vor, sondern auch in alten Getreidesorten und Gemüse. Essen wir in Zukunft also nur noch Obst und Nüsse? Davis behauptet: »In Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt hat Weizen eine Spur der Verwüstung hinterlassen.« Hätte er das Wort Weizen durch Auszugsmehl, Fabrikzucker, Fabrikfette und Fast-Food ersetzt, könnte man seiner Aussage noch etwas abgewinnen. Lassen Sie sich nicht von Modetrends verwirren. Lassen Sie die Nahrung so natürlich wie möglich. Orientieren wir uns an Dr. M. O. Bruker: »Alle Krankheiten haben eine einheitliche Ursache: den Verstoß gegen die Schöpfungsgesetze.«
Quelle: DER GESUNDHEITSBERATER, Ausgabe Juli 2015