Kaiserschnitt (Sectio caesarea)

Frage:
Wie stehen Sie zur Kaiserschnitt-Geburt?

Antwort:
Der Begriff »Sectio caesarea« geht auf das lateinische Wort caedere/caesus zurück, was (heraus) schneiden/(heraus) geschnitten bedeutet und wird erstmals von dem römischen Enzyklopädisten Plinius d. Ä. (23/24 – 79 n. Chr.) mit dem ersten Julius Caesar, der im 3. Jahrhundert v. Chr. lebte, in Verbindung gebracht. Eine nicht auf natürlichem Weg verlaufende Entbindung wurde schon seit dem Altertum, insbesondere in Mythen verschiedener Völker, als etwas Herausragendes gewertet und sollte den besonderen Status der auf solche Weise geborenen Kinder belegen.

Zu meiner Assistenzarztzeit galt die Schnittentbindung als Notfalloperation, die nur nach strenger Indikation erfolgte. Heute gibt es den Kaiserschnitt auf Wunsch (Wunschsektio). In einer aktuellen Ausgabe der Welt konnte der Leser kürzlich über die Montags- bis Freitagskinder staunen. Immer häufiger entscheiden sich werdende Mütter und die sie begleitenden Ärzte für eine operative, nicht natürliche Geburt. Zutreffender sollte ich sagen: »Mehr Frauen denn je beenden vorzeitig ihre Schwangerschaft, indem das Baby durch die Öffnung der Gebärmutter von der Bauchdecke aus ›geboren‹ wird.«

Europaweit weist die Sectiorate eine steigende Tendenz auf. Die Indikation zum Kaiserschnitt wird in den letzten Jahren immer weiter gestellt. Befürworter der operativen Schnittentbindung beruhigen die Kritiker durch einen Risikovergleich. Die Letalität (Tödlichkeit) der Sectio habe mittlerweile so stark abgenommen (durch sanftere OP-Techniken, Lokalanästhesie, Antibiotikaprophylaxe etc.), dass sich das Risiko von dem einer Spontangeburt kaum noch unterscheide.

Es wird hier nicht in Zweifel gestellt, dass es zwingende Gründe für einen Kaiserschnitt gibt, wenn damit Gefahr für die Schwangere und/oder das Kind abgewendet werden kann. Hinter dem Kaiserschnitt auf Wunsch stehen jedoch ganz andere Motive: z. B. die Angst vor einem langen und schmerzhaften Geburtsverlauf, Verletzungen der Scheide und des Dammbereichs, späterer Harninkontinenz oder der Wunsch nach Sicherheit für das Baby. Es ist schon auffällig, dass mit der gestiegenen Zahl der Kaiserschnittbabys gleichzeitig die Zahl der Sonntagskinder stark zurückgeht. Biologen haben erforscht, dass in Deutschland durchschnittlich 15 % weniger Kinder am Wochenende geboren werden, als dies per Naturgesetz eigentlich zu erwarten wäre. Nicht nur die Schwangeren, sondern auch die Krankenhäuser sorgen dafür, dass immer mehr Kaiserschnitte gemacht werden, denn am Kaiserschnitt lässt sich gut verdienen. Kaiserschnitte bringen Auslastung und hohe Pauschalentgelte.

Leider wissen die wenigsten Eltern um die zusätzlichen Gefahren: intraoperative Komplikationen: Verletzungen der Harnblase und/oder des Darms; postoperativ erheblich längere Erholungszeit, Risiko der Wundinfektion in der Bauchdecke. Risiken fürs Kind: Neugeborene nach Kaiserschnittentbindung leiden dreimal so häufig unter Atemnot in den ersten Lebensminuten und -stunden. Denn Kindern, die auf natürliche Art auf die Welt kommen, wird auf dem Weg durch den Geburtskanal das Fruchtwasser aus der Lunge gepresst. Die Neugeborenen, die per sectio geholt werden, erleben in mehrfacher Hinsicht ein Trauma. Sie werden künstlich ans Licht gezerrt (ohne Ankündigung!). Diese Babys sind nicht »geburtsreif« und dürfen ihren Weg nicht mitbestimmen. Die Mutter ist durch die Bauchoperation geschwächt, sie muss erst einmal zu sich kommen, geschweige denn zum Kinde!

Die Bindung zwischen Mutter und Kind wird erschwert bzw. unterbunden, da die Kaiserschnitt-Babys zunächst intensivmedizinisch bewacht werden. Es gibt jedoch Anlass zu hoffen, dass die spontane Geburt von den meisten Müttern als existenzielles Ereignis von lebenslanger Bedeutung und als eine Quelle von Zufriedenheit angesehen wird. Auch die Haptonomie vertritt eine Geburt ohne Gewalt.

Literatur: Gynäkologie und Geburtshilfe, Urban u. Fischer, 1. Aufl.