Knochenmarktransplantation

Frage:
Unser Sohn (8 Jahre) leidet an einer akuten Leukämie. Er steht nun vor einer Knochenmarktransplantation. Ist diese Therapie gefährlich?

Antwort:
Bitte haben Sie Verständnis, dass ich aus der Ferne nur allgemeine Ratschläge erteilen kann. Die individuelle Aufklärung muss durch den behandelnden Onkologen erfolgen. Im Knochenmark befinden sich pluripotente Stammzellen. Diese Stammzellen sind die »Mutterzellen« der Hämatopoese (Blutzellbildung). Bei der Knochenmarktransplantation werden die Stammzellen aus Knochenmark gewonnen; bei der peripheren Blutzelltransplantation aus Venenblut. Einige wenige Blutstammzellen können auch aus Nabelschnurblut gewonnen werden. Die zu verpflanzenden Stammzellen können entweder vom  Patienten selbst (autologe Transplantation) oder von einem verwandten oder fremden Spender (allogene Transplatation) stammen.

Dem geeigneten Knochenmarkspender werden in Narkose durch vielfache Beckenkammpunktionen Blutstammzellen entnommen. Die Gewinnung von Stammzellen aus dem peripheren Blut durch Stammzellapherese (Anhäufung von Stammzellen durch Spritzen von wachstumsstimulierenden Faktoren) ist für den Spender weniger belastend.

Wurde ein geeigneter Spender gefunden, beginnt die Vorbereitung des Patienten, die sogenannte »Konditionierung«. Um möglichst viele Leukämiezellen zu vernichten, erfolgt hierbei eine Hochdosis-Chemotherapie und eine anschließende Ganzkörperbestrahlung. Damit soll die Leukämie »ausgelöscht« und das Immunsystem des Patienten (= Empfänger) unterdrückt werden. Danach erfolgt die intravenöse Infusion (Transfusion) der Spenderzellen. Die Stammzellen finden dann allein den Weg vom Blut in die Knochenmarkräume und siedeln sich dort an. Insgesamt sind die Toxizität und Langzeitfolgen der Knochenmarktransplantation nicht unerheblich.

Natürlich setzen der Betroffene und seine Angehörigen alle Hoffung auf diese »letzte Chance«, die ein Überleben in Aussicht stellt. In den ersten 2–3 Wochen nach der Transplantation, der Aplasiephase, werden praktisch keine Blutkörperchen produziert, da die eigenen Stammzellen durch die Krankheit und die einleitende aggressive Chemo und Bestrahlung geschädigt und die fremden noch nicht richtig »angewachsen« sind. Der Patient muss isoliert werden, da jede Infektion sein Leben bedrohen könnte.

Die zweite gravierende Komplikation ist die sogenannte Graft-versus-Host-Reaktion (Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion), bei der Abwehrzellen des Spenders zu Abstoßungsreaktionen gegen den Empfänger führen. Ein weiteres Risiko besteht noch darin, dass das Transplantat nicht angenommen wird.

Der Patient muss gewissermaßen einen hohen Preis für seine verbesserten Überlebenschancen zahlen.

Literatur: Onkologie Basiswissen, Springer, 2016

Autor: Dr. med. Jürgen Birmanns

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