Anonymer Erfahrungsbericht, der Name ist der Redaktion bekannt
Seit einigen Jahren arbeite ich als Krankenschwester auf einer Notaufnahme. Die Grippesaison in 2017/18 hatte uns stark getroffen. Oft waren Räumlichkeiten zur Isolation knapp und wir hofften inständig, dass wir uns selbst nichts „einfangen“, damit möglichst wenig Personal ausfallen würde, denn es ging heiß her in dieser Zeit. Mir wurde erzählt, dass die umliegenden Krankenhäuser bereits eine Krisensitzung abgehalten hatten, um die Situation zu beurteilen. Der Pandemie-Plan wurde wohl schon einmal aus der Schublade geholt. Letztendlich konnten wir diese Saison aber dann doch im normalen Alltag bewältigen.
In den Medien gab es damals keinen großen Paukenschlag und auch sonst schien es kein großes Thema in der Bevölkerung zu sein. Und Applaus gab es auch keinen.
Anfang dieses Jahres dachte ich, dass diese Erfahrung ein kleiner Vorgeschmack auf das sei, was uns erwarten würde.
Der Lockdown
Als der Lockdown losging, hatte sich auch unser Haus vorbereitet. Wir Mitarbeiter erhielten Bescheinigungen dafür, dass wir „systemrelevant“ sind, weil wir im Krankenhaus arbeiten. (In Gedanken sah ich mich schon, immer mit meinem Passierschein winkend, durch Checkpoints fahren.) Erst wurde eine Station geschlossen, dann eine zweite, um Betten freizuhalten für all die Coronakranken, die aber, zumindest in den befürchteten Massen, ausblieben. Es gab Tage, an denen höchstens 12 Patienten da waren. Normal sind 30 – 60 Patienten am Tag.
Masken sollten wir anfänglich nur bei Übergaben tragen, dann ständig. Es ist zwar keiner krank, aber wie wir bereits wissen, ist Gesundheit kein Argument für das Nicht-Tragen einer Maske. Übrigens war es vor Corona bereits üblich, sich eine Maske aufzuziehen, wenn man sich erkältet fühlt. Aus Rücksicht auf die oft stark vorerkrankten Patienten, die wir täglich betreuen. Und das ohne eine Anordnung.
Allerdings war die Maßgabe (vor Corona), eine Maske maximal 20 Minuten zu tragen. Sie durchnässen und verlieren ihren Schutz. Heute darf ich zwei Stück pro Dienst benutzen. Eine Zeitlang mussten wir die FFP3-Masken sammeln, damit sie sterilisiert wurden, um sie ein zweites Mal zu nutzen. Dass unzählige, scheinbar überzählige Masken ins Ausland verschenkt wurden, empfinde ich, als jemand, der solche im Dienst ständig braucht, als Schlag ins Gesicht.
Seit einigen Wochen hat sich das Patientenaufkommen wieder normalisiert. Wir sind es gewohnt, mehrere Stunden, oder auch ganze Dienste über, im größten Stress die Arbeit gewissenhaft und qualitativ hochwertig zu machen. Keinem von uns wird befohlen, dort zu arbeiten. Im Gegenteil, es kommen viele Bewerbungen, und bei den Auszubildenden ist unsere Abteilung beliebt. Die Maskenpflicht allerdings ist jetzt, wo es nicht mehr so ruhig ist wie noch vor einigen Wochen, zu einer schweren Bürde geworden. Bei hoher Luftfeuchtigkeit, hohen Temperaturen und ausdauernder körperlicher Anstrengung musste ich mir häufig die mittlerweile verhasste Maske vom Gesicht reißen.
Nicht nur die Maske macht das Leben und Arbeiten schwer. Am Anfang der Corona-Lage bekamen wir beinah täglich neue Anordnungen, wie wir wann was machen sollen. Der Durchblick war bald weg, der Corona-Ordner dafür ziemlich dick. Das hat sich bis jetzt nicht geändert, nach wie vor gibt es größere und kleinere Änderungen.
Potentielle Corona-Patienten
Es gibt ein spezielles Corona-Screening: Blutwerte, die zusätzlich zum normalen Labor erhoben werden. Aber je älter und kranker ein Mensch ist, desto eher sind diese zusätzlichen Werte ohnehin nicht in der Norm. Ich habe noch keinen einzigen Fall erlebt, bei dem dieses Labor mit dem PCR-Test übereingestimmt hätte. Auch die Röntgen-Aufnahme der Lunge soll Anhaltspunkte bieten können, ob es sich eventuell um Covid19 handeln könnte.
Aber abgesehen von PCR-Test, Labor oder Röntgenaufnahmen muss jeder isoliert werden, der bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Patienten aus Heimen und/oder mit potentiellen Covid19- Symptomen werden isoliert, auch wenn die Symptome häufig eindeutig in ganz andere Richtungen deuten. Die Behandlungen dauern dadurch länger. Man muss sich ständig die Schutzkleidung anziehen. Raumkapazitäten sind ständig knapp, da nur Einzelbelegung möglich ist, und nach der Verlegung muss man immer auf die Grundreinigung warten. Das klingt vielleicht nach Kleinigkeiten, aber alles wird künstlich in die Länge gezogen und die meist älteren Menschen müssen dadurch unnötig lange bei uns liegen. Wartezeit verlängert sich, und der Unmut der Patienten steigt.
Patienten, die nicht aus einem Heim oder ähnlichem kommen, werden unter anderem gefragt, ob sie Kontakt zu Corona positiv getesteten Personen hatten. Bisher hat dies noch keiner bei mir bejaht. Viele sagen ungefragt dazu, dass sie nicht einmal jemanden kennen würden.
PCR-Tests
Jeder Patient, der stationär bleibt, wird getestet. Anfänglich wurde auch auf Influenza getestet, das sollten wir aber nach einiger Zeit einstellen und ausschließlich auf Corona testen. Patienten, die geplant kommen, müssen zwei Tage vorher ins Krankenhaus kommen, um einen Test nehmen zu lassen. Notfall-Patienten bekommen bei Aufnahme einen Test und werden isoliert, bis das Ergebnis eintrifft.
Der Test einer älteren Dame war positiv. Alle Kontaktpersonen mussten sich ebenfalls testen lassen: Die Kolleginnen aus der Pflege, vom Stationsservice, sogar die Kolleginnen vom Putzdienst. Der Kollege, der den Test durchführte, allerdings nicht.
Die nachfolgenden Tests der alten Dame, die schwer krebskrank ist, waren dann alle negativ. Auch hatte sie nie Symptome, die nicht durch die Chemotherapie oder ihre Grunderkrankung hätten erklärt werden können.
Tot, nicht an oder mit, sondern wegen Corona
Bestimmte medizinische Maßnahmen dürfen nicht mehr durchgeführt werden. Ich habe miterlebt/mitbekommen, wie aus diesem Grund ein Mann starb. Er hatte COPD, eine chronische Lungenkrankheit. Wenn jemand akut damit Luftnot bekommt, ist das erste Mittel der Wahl Inhalation mit speziellen Medikamenten. Wegen der Aerosole darf das nicht gemacht werden. Als ich im Dienst war, ging es dem Mann nicht sehr schlecht, aber er bekam nur O2. Eine Inhalation hätte ihn meines Erachtens noch stabilisieren können. Am nächsten Tag wurde mir erzählt, der Mann sei tot. Im Verlauf des Tages ging es ihm wohl schlechter. Mein Dienst war vorbei, daher hatte ich das nicht mehr mitbekommen. Er hätte eine Beatmung per Maske gebraucht. (Man bekommt O2 per Maske mit einem bestimmten Druck und Menge etc. in die Lunge. Oft reichen ein paar Stunden, um den Patienten zu stabilisieren). Stattdessen, weil das „nicht erlaubt“ ist, wurde der Mann intubiert. Das hat er nicht überlebt.
Das hat mich schockiert und wütend gemacht. Studiert bin ich nicht, aber dennoch möchte ich behaupten, dass meine Ausbildung, Erfahrungen und gesunder Menschenverstand es mir gestatten, diese Situation zu beurteilen. Ich hatte den Mann aufgenommen, so schlecht ging es ihm nicht. Er hätte nicht sterben müssen, hätte man die Maßnahmen angewandt, wie üblich. Übrigens war der Mann nicht Corona-positiv. Aber er war ein Corona-Opfer, und ich denke, nicht das einzige dieser Art.
Das ist meine Meinung und meine Erfahrungen.