Prävention

Frage:
Warum beteiligen sich so wenige Ärzte an Präventionsmaßnahmen? Gesundheitsförderung müsste doch das wichtigste Anliegen der Mediziner sein?

Antwort:
Das Wort Prävention bedeutet »Vorsorge« . Prae-venire (lateinisch) heißt zu Deutsch »Zuvorkommen«. Vor-Sorge ist demgemäß der Zustand vor der Sorge und heißt nicht, sich vorher schon Sorgen zu machen. Ein altes chinesisches Sprichwort sagt: »Hervorragende Ärzte verhüten Krankheiten; sie kümmern sich um die Gesundheit. Mittelmäßige Ärzte kümmern sich um noch nicht ausgebrochene Krankheiten und unbedeutende Ärzte behandeln bestehende Krankheiten.«

Gesundheitsförderung ist nicht allein eine Aufgabe des Individuums, sondern sie stellt eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft dar. Die Orientierung am Pathogenetischen (Pathogenese = Krankheitsentstehung) prägt leider noch immer die Lehre an den medizinischen Hochschulen. Die von Antonovski entwickelte Sichtweise der Salutogenese (Salus = Gesundheit, Genesis = Entstehen) findet zu wenig Eingang in die klassische Medizin. Zentrale Fragen aus einer salutogenetischen Perspektive sind: Wie wird Gesundheit hergestellt, unter welchen Bedingungen bleiben Menschen gesund? Und was sollten wir tun, um solche Bedingungen für möglichst viele Menschen herzustellen? Die Orientierung am Wohlbefinden betont die subjektive Seite von Gesundheit. Der große Psychosomatiker Viktor von Weizsäcker (1886–1957) beklagte schon damals die Verdrängung des Subjekts aus der naturwissenschaftlichen Medizin. »Voraussetzungen für Gesundheit sind: Frieden, angemessene Wohnbedingungen, Bildung, soziale Sicherheit, soziale Beziehungen, Ernährung, Einkommen, die Stärkung von Frauen, ein stabiles Ökosystem, eine nachhaltige Nutzung vorhandener Naturressourcen, soziale Gerechtigkeit, Respekt für Menschenrechte und Chancengleichheit. Die größte Bedrohung der Gesundheit ist und bleibt aber die Armut.« (WHO-Erklärung von Jakarta, 1997).

Literatur: Psychosoziale Medizin, Springer, 3. Aufl.

Autor: Dr. med. Jürgen Birmanns