Reizdarmsyndrom (irritables Colon)

Frage:
Seit einigen Jahren leide ich (weiblich, 38 Jahre) unter krampfartigen Bauchschmerzen, Völlegefühl und Blähungen. Die Stuhlkonsistenz ist sehr wechselhaft. Die Laborwerte sind normal. Auch eine Magen- und Darmspiegelung erbrachte keinen krankhaften Befund. Die Diagnose lautet irritables Colon. Was kann ich tun, um die Beschwerden zu lindern?

Antwort:
Es handelt sich bei Ihrer Erkrankung um eine funktionelle Störung. Diese Funktionsstörung äußert sich am Organsystem Magen-Darm-Trakt. Bei spannungsbedingten Krankheiten besteht leider oft eine Tendenz zur Chronifizierung und Fixierung, da die Beschwerden des Patienten vom Arzt nicht ernst genommen werden oder immer wieder neue aufwendige apparative Abklärungen durchgeführt werden. Der Arzt möchte dem Patienten eine »einwandfreie« Diagnose liefern, um keine verborgene Krankheit zu übersehen. Und der Patient verlangt eine Erklärung für seine Symptome. Es kann zu einem Teufelskreis kommen (»Drehtürphänomen, Koryphäen-Killer-Syndrom«). Der Patient wird mit immer mehr Überweisungen versorgt und wandert von Spezialist zu Spezialist. Das Resultat kann eine hypochondrische Krankheitsfurcht sein. Die adäquate Behandlung dieser ernst zu nehmenden funktionellen Erkrankung ist einzig und allein eine aufdeckende Lebensberatung. Leider werden wir Ärzte in dieser Hinsicht kaum ausgebildet. Findet der Arzt keinen objektivierbaren organischen Befund, ist die Krankheit in seinen Augen wohl »nur seelisch bedingt«.

Nach einer kostspieligen Ausschlussdiagnostik folgen meist medikamentöse oder diätetische Behandlungsversuche. Ohne Klärung der Grundursachen haben diese Maßnahmen natürlich nur bescheidene Erfolge. Um lebensbedingte Krankheiten, die sich in funktionellen Störungen äußern, zu verstehen, muss man das vegetative Nervensystem verstehen. Das enterische Nervensystem (Darmwandnervensystem) steuert wesentliche Funktionen des Magen-Darm-Kanals. Es besteht aus Millionen von Nervenzellen, die sich als Nervengeflechte in der Darmwand ausbreiten. Das vegetative Nervensystem, das auch als autonomes Nervensystem bezeichnet wird, kontrolliert Organfunktionen, die unwillkürlich und unbewusst ablaufen. Das sympathische Nervensystem dominiert, wenn man sich in einer Stresssituation befindet (»Flucht oder Angriff«). Der Parasympathicus dient der Regeneration (»Ruhe und Erholung«). Dementsprechend ist eine harmonische Balance, ein Gleichgewicht von Sympathicus und Parasympathicus Voraussetzung für eine optimale Organfunktion.

Literatur: Leitsymptome Gastrointestinaltrakt, Thieme, 2006