Säure-Basen-Haushalt

Frage:
Ich habe Rheuma (weibl., 57 Jahre). Mein Arzt empfiehlt eine »Entsäuerungstherapie«.

Antwort:
Säuren sind solche Substanzen, die in Lösungen Wasserstoffionen (H+) abgeben. Basen sind Substanzen, die Wasserstoffionen binden. Als Maß für die H+-Konzentration in einer Lösung dient der pH-Wert. Das menschliche Blut weist eine schwach alkalische Reaktion auf. Der pH-Wert des arteriellen Blutes liegt beim Gesunden (Körpertemperatur 37 °C) im Bereich zwischen 7,36 und 7,44. Für die Stoffwechselvorgänge sind relativ konstante pH-Bedingungen wichtig, da enzymatische Reaktionen nur in einem bestimmten pH-Bereich optimal ablaufen. Die Regelung des Säure-Basen-Status übernehmen drei Puffersysteme:

  1. die Puffereigenschaften des Blutes (Bikarbonat, Plasmaproteine, Hämoglobin)
  2. Gasaustausch in der Lunge (CO2 = Elimination durch Abatmung)
  3. renale (Niere) und hepatische (Leber) Regulationsmechanismen.

Ein pH-Wert < 7,35 bedeutet eine Azidose, ein pH-Wert > 7,45 eine Alkalose des Blutes. Für die Konstanthaltung des Blut-pH-Wertes sorgen also die Puffersysteme des Blutes, des Atemtraktes und der Nieren bzw. Leber. Säure-Basen-Störungen entstehen über zwei Wege:

a) durch beschleunigte (Hyperventilation) oder herabgesetzte (Hypoventilation) Atmung (→ respiratorische Störung)
b) durch veränderten Anfall bzw. renale Ausscheidung von Säureäquivalenten (→ metabolische Störung).

Entsprechend der primär zugrunde liegenden Störungen wird zwischen respiratorischer und metabolischer Azidose bzw. Alkalose unterschieden. Der Organismus versucht, das Säure-Basen-Gleichgewicht durch kompensatorische Mechanismen aufrecht zu erhalten. Im Blut werden die Wasserstoffionen (H+, Protonen) von den Bikarbonationen »abgefangen«; die Nieren scheiden Protonen in Form von Ammoniak und Phosphaten aus; die Lungen geben durch verstärkte Atmung vermehrt Kohlendioxid (CO2) ab.

Die häufigste metabolische Azidose ist die diabetische Ketoazidose: Der Diabetiker gewinnt bei Insulinmangel, da er keine Glucose verwenden kann, Energie durch verstärkte Verbrennung von Fettsäuren. Bei diesem verstärkten Abbau entstehen Ketonkörper, die große Mengen von Bikarbonatpuffer binden. Der daraus entstehende relative Mangel an Bikarbonat führt zu einer »Übersäuerung« des Blutes. Wer sich vitalstoffreich vollwertig ernährt, braucht sich um den Säure-Basen-Haushalt nicht zu kümmern.

Wer krank ist, sollte mit Hilfe eines Arztes die Ursache seiner Krankheit ergründen, um sie ursächlich zu therapieren. Das Messen des Urin-pH-Wertes mittels Indikatorpapier ist unnötig. Es ist eine unzulässige Verallgemeinerung, pauschal von Übersäuerung zu sprechen, da man zunächst klären müsste, welches Gewebe gemeint ist, das Blut, der Urin, der Speichel, die intra- oder extrazelluläre Flüssigkeit etc. Ist der Urin-pH-Wert zum Beispiel etwas in den sauren Bereich verschoben, so darf daraus nicht geschlossen werden, dass das Gewebe oder Blut sauer ist. Man kann auch den gegenteiligen Schluss ziehen, dass der Organismus in der Lage ist, die Säuren auszuscheiden.

Besonders in Laienkreisen wird mit dem Begriff Übersäuerung sehr viel Verwirrung erzeugt. Mit basischen Bädern, Basenpulvern und Basenkuren sollen Stoffwechselstörungen neutralisiert und reguliert werden, die durch jahrzehntelange vitalstoffarme Fabriknahrung entstanden sind. Nicht die Übersäuerung ist für die Entstehung der Krankheiten verantwortlich, sondern der Vitalstoffmangel. Tierisches Eiweiß und Kaffee sind säurebildend, pflanzliche Lebensmittel wirken alkalisierend (basenbildend). Sollte es durch den Verzehr herkömmlicher Mischkost mit einem Übermaß an Tiereiweißprodukten (Tiereiweißmast) zu einer von einigen Ernährungswissenschaftlern gefolgerten »Gewebeazidose« kommen, wäre es falsch und unzureichend, nur den analytischen Messwert (Urin-pH-Wert) durch Entsäuerung zu korrigieren, da die Ursachen der Krankheit unberücksichtigt blieben.

Literatur: Taschenatlas Physiologie, Thieme, 7. Aufl.