Warum wir uns heute um die Bienen kümmern müssen

»Ich bin erleichtert, dass mein Sohn meine Imkerei nicht weiterführen will«, sagte vor einiger Zeit ein erfolg reicher Berufsimker und ehemaliger Funktionär des Deutschen Erwerbsimkerbundes im Gespräch mit mir. Welche persönlichen Erschütterungen, welche Probleme und Sorgen lassen einen erwachsenen Mann so auf sein Lebenswerk blicken? Aber auch viele Freizeit-Imker geben auf. Hat die Imkerei noch eine Zukunft? Manches bäuerliche Handwerk ist schon verschwunden. Ist es nicht auch einerlei, wenn Imker zu einer aussterbenden Spezies werden?

Eine Antwort auf diese Frage gab das Landwirtschaftsministerium in einer Informationsschrift (AID-Dienst) in den sechziger Jahren noch in poetischer Form:

»Wär’ nicht der Bauer, so hätt die Biene Not,
wär’ nicht die Biene, so hätt der Bauer kein Brot.«

Die Zeit der Poesie ist vorüber. Wir sind im Zeitalter der nackten betriebswirtschaftlichen Fakten angekommen. Es geht um Zeit und Geld. Bienenhaltung gehört heute im Rahmen der Agrarwirtschaft zur so genannten »tierischen Produktion«. Wir leben in einem Land, wo Milch und Zins in reichlichem Maße fließen. Überproduktion von Lebensmitteln führt zum Sterben der Höfe. Zins und Aktienertrag bestimmen unsere Lebensbedingungen. Auch für den Imker stellt sich immer mehr die Frage, was er eigentlich will. Findet er regionale Lösungen, die dem Druck globaler Probleme standhalten? Wie kommt er mit dem Preisverfall für seinen Honig zurecht, wie mit neuen Krankheiten, die über einen globalen Handel mit Bienen und Bienenköniginnen verbreitet werden?

Existenzielle globale Krise der Bienenhaltung

Immer häufiger sind in Europa in den letzten Jahren Völkerverluste aufgetreten, deren Ursache bisher nicht wirklich geklärt werden konnte. Es ist keine Seltenheit, dass ganze Bienenstände zugrunde gehen oder bestimmte Regionen großflächig betroffen sind. Im Winter 2002/2003 traten sogar in mehreren EU-Ländern zugleich massive Völkerverluste auf. Nun erschüttert uns die Nachricht, dass die Imker in den USA in diesem Frühjahr ihre Völker kontrollieren und die Kästen bienenleer vorfinden. Seriöse Quellen melden von der West- bis zur Ostküste und bis in den Norden nach Kanada zwischen 60 und 80 Prozent Völkerverluste! Die Ursachen sind auch dort unbekannt. Ein Bienensterben in diesem Umfang in einem ganzen Kontinent, das ist ein wirklich bedrohliches Szenario mit globalem Stellenwert. Sogleich wurde ein neuer Ausdruck dafür geschaffen: »Colony Collapse Disorder« (ungeordneter, unkontrollierter Völkerzusammenbruch). Das sagt genauso wenig wie »multifaktorielle Ursachen«; eine Beschreibung des Problems durch deutsche Wissenschaftler. Es ist überfällig aufzuzeigen, dass die Anfälligkeit der Bienen gestiegen und die Grenze ihrer Belastbarkeit überschritten ist. Es bleibt zu hoffen, dass Imker, Politik und Öffentlichkeit endlich aufwachen. Die Bienen sind Anzeiger einer allgemeinen Situation, die alle blütenbestäubenden Insekten und unsere Lebensgrundlagen betrifft. Weltweit steckt die Imkerei in einer existenziellen Krise, deren Ausmaß durch Medikamente und Zuckerfütterung verdeckt wird. Die traditionellen Haltungsformen wurden im Laufe des letzten Jahrhunderts verdrängt und vergessen. Einige Jahrzehnte gab man sich der Illusion hin, die ständige Rationalisierung der imkerlichen Betriebsweisen habe keine Nebenwirkung und führe nur aufwärts zu mehr Honigertrag. Aber seit der globalen Verschleppung der Varroa Milbe, einem Parasiten aus Asien, ist das »goldene Zeitalter« der Imkerei endgültig vorüber. Die Bienen sind mit zu vielen Belastungen konfrontiert. Industrialisierte Landwirtschaft raubt Bienen, Hummeln und Schmetterlingen die Nahrungsgrundlage und belastet deren Gesundheit mit giftigen Spritzmitteln.

Wir können Honig importieren, aber keine Bestäubung

Das entomologische Institut in Illinois gibt an, dass ein Drittel der menschlichen Ernährung direkt oder indirekt von den Bienen abhängt und der volks-wirtschaftliche Wert ihrer Bestäubungstätigkeit in den USA 18 Milliarden Dollar wert sei. Die Bienen sind nach Rind und Schwein das drittwichtigste Haustier. Dabei geht es nicht nur um die Befruchtung von Obst, Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Beeren, Zitrusfrüchten, Mandelbäumen, Melonen, Kürbissen, Paprika, Nüssen, Ölfrüchten, Raps, Sonnenblumen . . . Auch eine unüberschaubare Fülle von Wildpflanzen ist auf Bestäubung durch Insekten angewiesen. Deren Früchte und Samen sind oftmals Nahrungsgrundlage von Kleinsäugern, Vögeln und anderen Tieren. Bestäubung ist eine existenzielle Grundfunktion im Ökosystem. Ausbleibende Bestäubung bedroht unsere Lebensgrundlagen und unsere Kulturlandschaft als Ganzes. In Deutschland gibt es derzeit etwa 80 000 Imker, die im Durchschnitt je neun Bienenvölker betreuen. Die größte Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht haben die mit 98 % vertretenen Freizeitimker. Sie sind diejenigen, welche bisher noch an vielen Standorten mit einer »Streubienenhaltung« für flächendeckende und ganzjährige Bestäubung sorgen. In jedem Bienenvolk leben im Frühjahr etwa 30 000 Bienen. In Deutschland fliegen also etwa 22 000 000 000 Honigbienen. Das sind 270 Bienen pro Kopf der Bevölkerung, die von Blüte zu Blüte fliegen, dort Nektar und Blütenstaub sammeln und sozusagen nebenbei ihre Hauptaufgabe, die Bestäubung, erfüllen. Nähern wir uns doch auch emotional dieser Aufgabe. Wie kein anderes Lebewesen ernährt sich die Biene ohne irgendwelchen Schaden anzurichten. Nicht ein Blatt wird zerkaut. Das Gegenteil ist der Fall. Ihr Blütenbesuch bringt der Pflanze Erfüllung. Wie sehr berührt uns die duftende und leuchtend farbige Welt der Blüten! Sie sind dem Himmelsraum zugewandt und laden die Bienen ein, sie zu küssen. Die Bestäubung bringt der Pflanze mit dem Abblühen zwar das Ende der vitalen Prozesse, aber sie bringt es so, dass süße Frucht und Samen folgen. Durch ihren Blütenbesuch stiftet die Biene der Pflanze Zukunft. Geheimnis des Bienenvolkes Eine Königin, zehntausende Bienen und wenige Tausend Drohnen (männliche Bienen) wirken im Bienenstock so zusammen wie die Zellen eines Lebewesens. Das Ganze des Bienenvolkes ist tatsächlich ein Lebewesen, ein Organismus. Sein Wesen zeigt sich darin, wie es sich wechselnden Anforderungen gegenüber immer wieder neu organisiert und wie es dem Ganzen der Natur dient. Bienen können und wollen ihre Waben selber bauen. Mit künstlichen Waben werden aber heute die Arbeitsabläufe des Imkers rationalisiert und das Leben der Bienen standardisiert. Solche Waben engen einen grundlegenden Trieb des Bienenvolkes ein. Bei wesensgemäßer Haltung bauen die Bienen natürliche Waben und dürfen ihre Brut darin erziehen. In der Natur vermehren sich Bienenvölker durch Schwärme. Der Schwarmtrieb wird heute regelmäßig unterdrückt. Künstliche Volksbildung durch Ableger, künstliche Königinnenzucht, Brutschrank und instrumentelle Besamung der Königin sind an die Stelle einer natürlichen Geburt der Bienenvölker getreten. Wesensgemäße Bienenhaltung geht auf den Schwarmtrieb ein und arbeitet mit ihm. Seit 1985 entwickelt Mellifera e.V., die Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung, neue Haltungs- und Heilmethoden, die einer nachhaltigen Bienengesundheit dienen. Als Pionier der Demeter Bienenhaltung nimmt Mellifera e.V. Einfluss auf die Meinungsbildung der Imkerschaft, der Politik und der Verbände.

www.BeeGood.de – Aktion Patenschaften für Bienen

Mellifera e. V. hat nun die Aktion BeeGood gestartet, um neue Bienenfreunde zu gewinnen, auf die faszinierende Welt der Bienen und auf ihre Gefährdung aufmerksam zu machen. Unter der Internetadresse www.BeeGood.de sind interessante und spannende Informationen über das Leben der Bienen zu finden. Wie unterhalten sich die Bienen? Wer wird Königin? Woher kommt das Wachs? Woran erkenne ich guten Honig? Wozu brauchen wir die Bienen? Unter dem Motto »Der Imker lüftet den Schleier« vermittelt BeeGood bundesweit Besuchstage in Imkereien. Mit 29,50 € pro Jahr kann nun jeder einen spannenden Schritt tun und als Bienen-Pate bzw. -Patin bei BeeGood »eigene« Bienen haben. Die Imker von Mellifera e. V. sorgen für die adoptierten Bienen, die im Rahmen der Ausbildungs- und Forschungsarbeit des Vereins fleißig sind. Auf die Paten warten einige Überraschungen. Die Bienen-Patenschaft kann auch verschenkt werden. Dabei wird ein frei zu wählender Gruß an den Beschenkten auf das Etikett des Paten-Honigs gedruckt. Obwohl alle Vorteile von BeeGood nur über das Internet genutzt

»Wenn die Biene von der Erde verschwindet,
dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben;
keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr,
keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr . . .«

Albert Einstein

werden können, ist es auch möglich, eine kostenlose Information anzufordern und per Post Bienen-Pate zu werden. Die aktuellen Völkerverluste zeigen, wie richtig und wichtig der Grundgedanke dieser Aktion ist. Das Verschenken von Patenschaften ist eine gute Gelegenheit, auf die Situation der Bienen aufmerksam zu machen, dies aber mit einer positiven Nachricht zu verbinden.

Netzwerk Blühende Landschaft

In der Juni-Ausgabe des Gesundheitsberaters wird ein weiterer Beitrag zur Situation der Bienen, Hummeln & Co. folgen. Dabei geht es um ihre Nahrungsgrundlage, die so genannte Bienenweide. Infos dazu unter: www.bluehende-landschaft.de

 

Kostenloses Infomaterial zu den genannten Themen erhalten Sie bei:

Mellifera e. V. – Aktion BeeGood
Fischermühle
72348 Rosenfeld
Tel.: 074 28-9452490
Fax: 074 2-9452499
mail@mellifera.de
www.mellifera.de
Spendenkonto 18710007
Bankleitzahl 430 609 67
GLS Bank Stuttgart

Autor: Thomas Radetzki, Imkermeister und Vorstand von Mellifera e. V.

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